Rosinen aus dem Guglhupf
Der Standard 01/1995
Sie trägt einen Namen „aus dem auch Landeshauptleute und Würstel geschnitzt sind“ – und die undankbare Bürde, in einer altbackenen Mehlspeise nach zeitlosen, bühnengerechten Bröseln suchen zu müssen. Seit dem 15. Oktober 1978 (!), seit also nunmehr 16 Jahren läuft die sonntägliche, kabarettistische Back-Stunde „Der Guglhupf“ allwöchentlich auf Ö1 und hat sich – knapp gefolgt vom Radio Burgenland „Punschkrapferl“ – zur weltweit berühmtesten Hörfunk-Mehlspeise gemausert. Die satirischen Sultaninen und komödiantischen Korinthen, die Lore Krainer für ihr Solo-Programm aus dem reichhaltigen Fundus dieser Sendung zusammengesucht hat beinhalten auch einige verbrannte Rosinen. Gut getarnt im Puderzucker, auf dass der bittere Geschmack umso mehr überrasche. Doch in einem unpersönlichen Bahnhofs-Ambiente kann auch die beste künstlerische Rechnung nicht aufgehen. Geschweige denn, der Teig des Guglhupfs, in dem sich Lore Krainer, Kabarett-Patin ohne Patina, im Laufe des Abends gänzlich verliert. Zu bescheiden ist ihr Vortrag, zu intim die Tonlage. Ihr ansonsten so sympathischer Stil der unaufdringlichen, plaudernden Beiläufigkeit verpufft angesichts des Arbeiterkammer-Charmes des für derartige Veranstaltungen völlig überdimensionierten Akzent-Theaters. Die Stimmung im Publikum bleibt den ganzen Abend über ebenso gedämpft, wie das Licht, das mit seiner unerklärlich dämmrigen Unentschlossenheit das Seine dazu beiträgt, vom Bühnengeschehen abzulenken.
Die erste Hälfte der original Krainer’schen Guglhupf-Rosinen – „was ich allein g’schrieben hab‘, bring ich am besten aus der Gosch’n“ – widmet sie dem Umweltschutz, den Ausländern und Jörg Haider – kurz : der Politik. Nach der Pause wird sie privat, wendet sich auf betont hölzernen Brücken den Frauen, den Senioren und anderen geschundenen Minderheiten zu. Doch ihre Lieder erklingen immer mehr in Moll und Melancholie, bis die bedrückte Athmosphäre über den verpatzten Abend, der woanders so schön hätte werden können, selbst die applausfreudigsten Zuschauer einhüllt. „Das ganze Gequatsche könnt‘ ich mir sparen, wenn ich der Hund vom Moik wär‘.“ Ein schwacher Trost.
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