Unerhört taktvoll
Der renommierte Musik-Komiker Hans Liberg gastiert in Wien.
profil 11/2001
Ein Jahr nach seinem Diplom in Musikologie spielte Hans Liberg in einem selbstkomponierten Schüler-Musical den Muppet-Frosch Kermit. Aber sein Banjo spielte nicht mit. Liberg musste improvisieren – und erkannte, dass sich seine Begabung offensichtlich nicht auf die Musik beschränkt. Denn das Publikum tobte vor Lachen. Das war 1979. Mit seinen Music-Comedy-Shows ist der Niederländer seither Stammgast bei allen einschlägigen Festivals zwischen Zürich und Edinburgh, in Montreux bekam er eine ehrenvolle Erwähnung und in New York gar einen “Emmy Award” in der Kategorie “Popular Arts”. So viel zur Erläuterung obigen Attributs “renommiert”.
Mit einem gerüttelt Maß Respektlosigkeit durchpflügt Liberg die Musikgeschichte : ständig auf der Suche nach Takten und Zitaten, die sich humoristisch verwerten lassen. Die Grenze zwischen E- und U-Musik überflügelt er auf seiner Suche nach musikalischer Originalität klimpernd mit links. Beiläufig enthüllt er Plagiate, verhöhnt Epigonen, demonstriert unvermutete Zusammenhänge – oder er erfindet sie kurzerhand. Haarsträubende humoristische Halbwahrheiten mischen sich allerortens unter seinen musikwissenschaftlichen Witz. Bei Bach versteckt sich “Die Sendung mit der Maus”, der “Entertainer” steppt durch Mozart und Beethoven entdeckt den Rock’n’Roll.
Ein virtuoser Akkordarbeiter im Dienste tieferer Einsicht und gehobener Unterhaltung. Zumeist, aber nicht immer. Denn die Zeiten, da die Klassik der Hauch des Elitären umwehte, ist vorbei : “Gibt’s ja schon im Sonderangebot bei Eduscho.” Also erlaubt er sich auch seichtere Seitenhiebe: Der neue Bestseller von Hillary Clinton und Monica Lewinsky heißt “How to succeed at the White Hose”. Suck seed, if you’d pardon the expression.
Inmitten des über jeden Zweifel erhabenen, klassischen Umfelds fällt es dem gebauchpinselten musikalischen Bildungsbürgertum im Publikum nicht im Traum ein, dass es sich womöglich gerade – oh, Schreck – unter Niveau amüsieren könnte. Eine besonders raffinierte Variante der Kalauer-Veredelung.
Libergs schnörkellos „Neue Show“ genannte neue Show lebt vor allem von seinem interaktiven Charakter : “Eigentlich wollte ich gar nichts vorbereiten, sondern einfach mal gucken, was passiert, wenn ich das Publikum mitbestimmen lasse. So ganz habe ich mich das dann doch nicht getraut.” Aber nach 20 Jahren als Musik-Kabarettist kann sich Liberg auf sein Repertoire verlassen – und scheinbar spontan auf Zuruf reagieren. Wie eine mit allen Melodien der Musikgeschichte überfütterte, nicht ganz dichte Joke- und Jukebox. Erstklassisch.
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