Der Standard 01/1999

Ihr Kabarett-Debut “warten” stieß im Vorjahr auf einhellige Begeisterung und bescherte dem jungen oberösterreichischen Brüdern “Schöller & Bacher” einen beeindruckenden Senkrechtstart. An ihrem mit entsprechender Spannung erwarteten Nachfolgewerk werden sich die Geister scheiden. Denn ihrer Kunst, aus Nöten Tugenden zu machen, setzen sie in “lernen” die Krone auf. Abermals sitzen sie auf einer Plastikbank und erzählen sich Geschichten. Unspektakulär, langsam und über weite Strecken nur unauffällig pointiert. Ohne den geringsten Anflug schauspielerischer Ambitionen führen sie ihren Stil der rigorosen Reduktion auf Text und Textur zu neuen Extremwerten – mittels Wiederholungen. Denn formal ist “lernen” ein faszinierend und verstörend verschachteltes Programm im Programm – über ein Programm, das gar nicht existiert. Und über die Folgen ihres plötzlichen Erfolgs : “Was wäre heute, wenn alles anders gekommen wäre ?” – “Ich glaub, wir sollten langsam anfangen.” Zu diesem Zeitpunkt ist “lernen” bereits 20 Minuten alt.
Im Mittelpunkt stehen fünf Lieder : mit Gitarre und Playback-Beats aus dem Cassetten-Recorder begleitete elegische, ironische und hintergründige Sprechgesänge. “Schöller & Bacher” haben die Zukunft gesehen und “sie sah aus wie Niki Lauda”. Sie haben das Ende jeglicher Romantik erlebt : “Was sind 99 Luftballons gegen ein Gewehr ?”. Sie sind “Sexy 2000” und erinnern sich wehmütig an den “Spaghettiträger-Sommer mit Dir”. Dazu vollführt Rudi Schöllerbacher bis zur Armseligkeit verstümmelte Showposen (siehe “Reduktion”), die karikierender wirken, als jegliche Übertreibung.
In einer Welt, in der Geschwindigkeit das Maß aller Güte ist – “man kann ja net um die Wett‘ langsam sein” -, sind Rudi & Karli eine völlig ungekünstelte Kontrapointe. Und wenn Liebe tatsächlich das Gefühl ist, “mit jemandem zusammen zu sein, ohne Angst zu haben, woanders etwas zu versäumen”, dann bleibt einem gar nichts anderes übrig, als die beiden ins Herz zu schließen. (pb) Bis 31.1. im Kabarett Niedermair