Auf der Late-Night-Schiene
Der Standard 03/1999
Ganz ehrlich. Was gibt es an einem Samstag um 23:00 Uhr Quälenderes, als dieses drängende Bedürfnis nach humoristischer Zerstreuung ? In Zeiten, in denen autonome Langeweile-Selbstvertreiber als freizeitverweigernde Wirtschafts-Schädlinge gebrandmarkt werden, ist es nur recht und billig, daß die Unterhaltungsindustrie dem verantwortungsbewußten Staatsbürger eine reiche Palette an Möglichkeiten bietet, auch noch zu nächtlicher Stunde brav seine Kulturschillinge zu entrichten. Das Ganze heißt dann im Untertitel Late-Night-Show. Hinlänglich bekannt aus Funk und Fernsehen. Doch während die diversen TV-Kanäle kaum Anstalten machen, der zu dieser Sendezeit bewährten Schmalspur-Comedy-Talk-Schiene auszuweichen – ab September will auch der ORF “mit geballter, heimischer Comedy-Kreativität” der Konkurrenz von NBC oder RTL zu Quote rücken – entwickeln sich auf den Wiener Kleinkunstbühnen derzeit zwei völlig unterschiedliche Spät-Abend-Shows.
“Beschwingt am Sonnabend” nennt sich ein allmonatlicher Event im Kabarett Niedermair, den Kabarettist Martin Puntigam mit wechselnden Gästen und erfrischend wenig Rücksicht auf Konventionen aus “2/3 Repertoire und 1/3 frisch Geworfenem” gestaltet. Die fix eingeplanten Show-Elemente – u.a. physikalische Versuche und akustische Perlen aus seiner einzigartigen Tonträgersammlung (“Paint it black” von Karel Gott !) – fielen allerdings bei der ersten Ausgabe Anfang März allesamt dem mit Gast “Gunkl” Paal kurzfristig erarbeiten Konzept zum Opfer, demzufolge Puntigam bereits zur Pause die Bühne entnervt und endgültig zu verlassen hatte. Soviel Freiheit muß sein. Auch wenn sie verstört. Als Parodie auf herkömmliche Late-Night-Shows will Puntigam seine “Beschwingt”-Serie aber nicht verstanden wissen, denn “das geht ja gar nicht.”
Ein schrecklicher Irrtum, wie der “Nightline-Comedy Club” des Metropols anläßlich seiner Premiere mit beeindruckender Unfreiwilligkeit bewies. Die ersten bösen Vorahnungen tauchten bereits auf, als die Presseaussendung das noch ungelegte Ei als “Wiens neuen Kult-Event” bewarb. ORF-Hoffnung Markus Gull (“Splash – Das Sommer-Hoppala”, falls sich noch jemand daran erinnert) führte als Moderator durch einen aufwendig inszenierten Spät-Abend, der es sich offenbar in Ermangelung eigener Ideen zum Ziel gesetzt hatte, jedes nur erdenkliche, altbekannte TV-Late-Night-Element zu einer Show zu kombinieren. Kläglichkeit zum Quadrat. Keine Details. Nur soviel : Der Versuch, das professionelle Talk-Konzept amerikanischer Shows – mit fix vorgeschriebenen Dialogen und Pointen – mit maximal halbprofessionellen Gesprächspartnern auf eine heimische Bühne zu übertragen, birgt ein bisher ungeahntes Peinlichkeits-Potential. Und die Zwillingsschwestern Roth, deren Talentlosigkeit hinlänglich bekannt ist, einfach nur dem Gespött des Publikums preiszugeben, ist schlicht widerwärtig. Mutig hingegen, ausgerechnet Andreas Steppan zum Pausenclown zu degradieren. Spätestens beim Gespräch mit Gull wurde offensichtlich, wer von beiden über soviel Show-Talent verfügt, daß er diesen Abend zwar auch nicht hätte retten können, aber weitaus erträglicher gemacht hätte. (pb)
Termine : “Beschwingt” am 3.4. im Kabarett Niedermair, “Comedy Club” am 22.5. im Metropol.
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