Kikeriki Ratatatata!
Der Standard 10/1998
Das größte Problem des Humors ist seine Vorhersehbarkeit. Nicht nur im Radio hört man das unbarmherzig knatternde Banner des bevorstehenden Spaßes bereits lange vor der Pointe. Auch und gerade im Kabarett ist die Erwartungshaltung derartig fokussiert, dass es zumeist nur noch darum geht, ob sie befriedigt oder enttäuscht wird. Ob es dem Künstler gelingt, sein jeweiliges altbekanntes Rüstzeug bestmöglich zum Einsatz zu bringen. Die Spannung und Faszination, die von der Unberechenbarkeit und Spontaneität ausgeht, stellt sich höchstens noch bei unbeschriebenen Newcomern ein. Und bei Karl-Ferdinand Kratzl. Daran vermag auch die in seinem Fall vorauseilende Gewissheit, abermals mit rätselhaften Gedankengänge und einem atemberaubend andersartigen Vortrag konfrontiert zu werden, nichts zu ändern.
„Immer, wenn es verspricht, lustig zu werden, werde ich müde.“
Kratzls Stücke sind bezaubernde Mysterien – und er selbst ein Unikat, das sich jedweder Vorhersehbarkeit aufs Beglückendste entzieht. Beglückend für jene, die eine reizvolle Rezeptoren-Massage handelsüblichem Gekitzel vorziehen. Seine darstellerische Intensität und Vielseitigkeit erstaunen jedes Mal aufs Neue – und sein Mut zur Hässlichkeit offenbart seine wahre Schönheit.
„Es gibt so viel Schönes. Von allem geht ein Reiz aus : ein Liebreiz und ein Brechreiz!“
In seinem neuen Programm „Susi, wach auf“ verkörpert er einen Bademeister, Hobby-Gärtner und Schweinezüchter, dessen Gattin Susi seit zwei Jahren schläft. Aufgehängt an diesem kuriosen, aber im Vergleich zu früheren Programmen gut erkennbaren Handlungsstrang, sind die eigentlichen absurden Kleinode : ein fleischfressender Rasen mit Appetit auf Kleinkinder, ein amoklaufender Killerhahn („Kikeriki Ratatatata !“), ein Kabarettisten-Kongress in Novgorod zum Thema „Lachen im Kapitalismus“, eine Traummännlein-Zuchtanstalt („Der persönliche Traum ist der letzte schützenswerte Naturpark !“), ein Rettungsschwimmerkurs am schlafenden Objekt, die Gründung einer gewinnträchtigen „sleep-peep-show“, oder die Erkenntnis, dass Philosophen bisweilen eine Gabel aus dem Nabel schaut: weil sie die Weisheit allzu hastig – und nicht nur mit dem Löffel – gegessen haben.
Es darf behauptet werde, dass kein Mensch in Österreich so denkt, wie Kratzl denkt. Und es darf geargwöhnt werden, Kratzl komme von einem anderen Stern. Wie schön, dass er die Erde zu seiner Heimat erkoren hat. (pb)
Bis 15.11., Mi-So, 19.30, Kabarett Niedermair, 8., Lenaug. 1a, ( 408 44 92)
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