Kuhfladen mit Karamellglasur
„Schwarzer Humor ist wie Sex mit Depressionen. Oder in Wahrheit : eine Karamellglasur auf Kuhfladen.“
kabarett.at 02/2011
Originell und originär ist Christoph Krall schon seit Jahren. Aber hallo ! Und das unverdienterweise allzu abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit. Dabei hätte dieser Dr. Strangelaugh des heimischen Kabaretts das Zeug zum Kult-Star des far-off-mainstreams. Eine eigene TV-Show wird er jedenfalls nie bekommen – mit seiner Erscheinung, die so ganz und gar nicht in das gängige Bild charismatischer Bühnen-Entertainer passt, und seinem sprachlich und inhaltlich hochgradig gescheiten aber grenzwertig abseitigen Humor.
In seinem neuen Solo „Die Sau im Perlenkästlein“ lässt er seine merkwürdigen Talente wieder in all ihren Facetten schillern. Und das in sehr verdaulichen Dosen mit eingeflochtenen – formal fast schon herkömmlichen – stand-ups. Bei ihm klingen aber selbst Pointen so, als würde er traurige Lyrik rezitieren. Zum Beispiel, wenn er das Dilemma der heimischen Bildungspolitik auf den Punkt bringt : Das Problem der Regierung sei, dass das heranwachsende Wahlvolk dumm genug bleiben müsse, um rot oder schwarz zu wählen, aber nicht so dumm werden dürfe, dass es blau wählt.
Kralls besondere Liebe gilt aber dem Nonsens auf höchstem Niveau : Mit streng wissenschaftlicher, germanistischer Genauigkeit analysiert er beispielsweise seine eigenen absurd-komischen Gedichte über die kleine Krake Oktopus. Und dem armen Himmelskörper Pluto, dem ja unlängst sein Planetenstatus aberkannt wurde, widmet er ein zum Teil gründlich geschüttelreimtes, bizarres barockes Schäferspiel. Inklusive diverser Lobpreisungen des Kreises – als schönste aller geometrischen Gestalten – und engagierter Blockflöten-Einlagen.
Alles, um dem allgegenwärtigen Grauen etwas entgegenzusetzen. Dem allgemeinen – und dem privaten. Wenn das eigene Badezimmer nie besetzt ist, wenn man es benutzen möchte, sei das zwar praktisch, aber auf die Dauer fad.
Sein abgründiger Humor zeigt sich auch in einer im teilnahmslosen Small-Talk verhandelten, zutiefst tragischen Selbstmordversuchs-Orgie im ländlichen Raum.
„Schwarzer Humor ist wie Sex mit Depressionen“, befindet er anschließend, „oder in Wahrheit : eine Karamellglasur auf Kuhfladen.“
Zu Höchstform läuft Kralls grotesker Aberwitz auf, wenn er das aus einer einzigen kurzen Strophe bestehende „Lied des Scheiterns“ mit fast schon an Autismus gemahnender Beharrlichkeit dutzende Male wiederholt, dabei stetig steigert und mit verzweifelten Violin-Soli illustriert : „Scheitern heißt, zumindest doch, es wenigstens versucht zu haben.“
Sagen wir so : Wer angesichts dessen, was im Fernsehen und landläufig unter Kabarett firmiert, zu der Auffassung gelangt ist, mit dem Genre nicht viel anfangen zu können, sollte vielleicht mal eine Horizonterweiterung in Erwägung zu ziehen. Unpackbar, dieser Krall !
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