All about Mary
Christoph Krall – “Schlafstörungen”
Ein Late-Night-Special – zum Lachen, Lernen und Staunen
kabarett.at / 12. Dezember 2004
Maria bekanntlich einst durch einen Dornwald ging. Weniger bekannt ist, dass ihr Weg sie zum Knusperhäuschen einer bösen Hexe führte, der sie kurzerhand einen Staubsauger andrehen konnte. So war sie, die Jungfräuliche. Eine Rose ohne Dornen – also ständig in Gefahr von unachtsamen Wiederkäuern versehentlich vernascht zu werden. Und so süß, dass sie sich fast ohne Zuckerzusatz zu einer hervorragenden Konfitüre einkochen lässt, die überdies auf Bekleckerten keine Flecken hinterlässt. Wer hätte das gedacht ? So etwas kann sich nur ein Christoph Krall ausdenken.
Der letzte Woche an vielen Kaufrauschigen spurlos vorübergegangene Marienfeiertag war Krall und seinen Spaßgesellen Anlass und Auftrag, sich bei der Premiere ihrer hinkünftig allmonatlich stattfindenenden Late-Night-Talk- & Comedy-Show “Schlafstörungen” ganz der Mutter Jesu zu widmen. Klerikalen Unterlassungsklagen kommt er mit der Einmaligkeit des Events zuvor.
Mit Brigid Weinzinger, der Frauensprecherin der “Grünen”, bespricht Krall die theoretische Situation von Maria im Österreich von heute. Hat sie Anspruch auf Kindergeld ? Kann sie sich Erziehungszeiten anrechnen lassen ? Hat der heilige Geist Karenzanspruch ? Könnte der Vatikan zur Zahlung von Alimenten verdonnert werden ? Eine sehr amüsanter Zugang, um die aktuelle Situation alleinerziehender Mütter einer kritischen Analyse zu unterziehen.
Die Kabarettistinnen Natascha Gundacker und Eva D. bilden zusammen mit Helmut Frischenschlager den engelsgleichen Chor, der Krall bei seinen mit schrägen Texten neu bestückten Marienverehrungsliedern unterstützt. Die beiden spielfreudigen Komödiantinnen illustrieren überdies angemessene Selbstverteidigungs-Praktiken gegen aufdringliche Engel, die einem aus heiterem Himmel verkünden wollen, man sei die gebenedeite Auserwählte.
Kabarett-Kollege Ludwig Müller darf in seiner Lieblingsverkleidung als bestöckelschuhte Blondine eine professionelle Marienerscheinung verkörpern. Die Tochter eines Allround-Gespensts und einer freischaffenden Halluzination prahlt mit ihren großen Erfolgen in Lourdes und Fatima. “Da waren aber nur 3 Zuschauer”, wirft Krall ein, “noch dazu nicht zahlende”. Immerhin : das Devotionalien-Merchandising läuft wie geschmiert.
Ein Ehekrach im Hause Maria & Josef alarmiert zu guter Letzt noch die Polizei, sodass das weihnachtliche “Wer klopfet an” zu einem exekutivgewaltigen Beschimpfungs-Wechselgesang reift. Stille Nacht, allerseits.
En paar Worte für all Jene, die Christoph Krall noch nicht kennen. Der 38-jährige Zillertaler Mikrobiologe und Mathematiker ist ein Typ, bei dem man auf den ersten Blick kein Talent zu humoristischer Bühnentätigkeit vermuten würde. Auf den zweiten Blick aber würde man bereits seine Hand dafür ins Feuer legen, dass er auf einer Kabarettbühne nichts verloren hat. Doch weit gefehlt. Er bereichert die heimische Kabarettszene seit ein paar Jahren als ein naturschräger Dr. Seltsam mit sagenhaften Grotesken, in denen es vor aberwitzigen Absurditäten, Poesie, Wissen und Scharfsinn nur so funkelt. Hochgradig beschlagen und rechtschaffen behämmert. Und gerade in der oft etwas unbeholfenen Darstellung faszinierend authentisch. Gewöhnungsbedürftig? Vielleicht, aber das ist ein Gütesiegel. Denn nur, was außergewöhnlich ist, bedarf der Gewöhnung.
Wie oft bei Kralls Kooperationen mit anderen Künstlern versprühen auch seine “Schlafstörungen” wieder den etwas trashigen Charme des Unfertigen. Das Zusammenspiel von subtil-skurrilem Humor, deftige Outrage und gewitzten Gesprächen sorgen aber für ein kurzweiliges Kuriositätenkabarett zum Lachen, Lernen und Staunen. Vielleicht nicht der ideale Abend, um Christoph Krall kennen zu lernen. Dafür bietet sich sein aktuelles Solo “Krall spielt sich” eher an (21.12., Niedermair). Die nächsten “Schlafstörungen” gibt es am 15. Jänner um 22:00 Uhr. Und dann ist Maria längst Schnee von gestern. Statt dessen wird der selige Kaiser Karl I aufs Korn genommen. Mit fachmännischer Unterstützung des Diplomtheologen Stefan Haider, des Exministranten Thomas Maurer und natürlich wieder des komischen Chors. Halleluja!
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