Mit Vollgas durch die Nagelprobe
Das Finale des Nachwuchs-Kabarett-Wettbewerbs im “Theater am Alsergrund” bewies eindrucksvoll : Um die Zukunft des Kabaretts braucht sich Niemand Sorgen zu machen.
kabarett.at / 14. November 2004
Dutzende KabarettistInnen und Kabarett-Gruppen hatten sich für den diesjährigen “Goldenen Kleinkunstnagel” beworben. Zwölf von ihnen durften vergangene Woche an den drei Vorrunden-Tagen gegeneinander antreten. Den vier besten gelang schlussendlich der Sprung ins Finale : Klaus Eckel (Ö), Volker Surmann (D), Alexander Sedivy (Ö) und Birgit Süss (D). Und es sollte ein Finale auf höchstem Niveau werden !
Den Auftakt macht der Wiener Klaus Eckel mit Auszügen aus seinem aktuellen Soloprogramm “Schlaraffenland”. Dass er – wie seine Kontrahenten auch – für seinen Auftritt nur 20 Minuten Zeit hat, kommt ihm und vor allem seiner vom Zeitgeist gnadenlos auf die Überholspur des Lebens gejagten Figur spürbar entgegen. Aufkeimende Zwischenappläuse würgt er kurzerhand ab. Solche Pausen sind doch nur Zeitverschwendung. Und Zeit ist Geld. Also bitte weiter im Text. Er will seinen Zuhörern ja nicht nur seine Super-Hi-Tech-Armbanduhr präsentieren, die bis auf 3000 Meter wasserdicht ist – “Pfoh, da kann ich weit rausschwimmen !” – und ihm jederzeit die Entfernung zum Äquator angibt : “Das Problem kennen wir doch alle : Man sitzt gemütlich im Kabarett und plötzlich fragt man sich : Wie weit bin ich eigentlich vom Äquator entfernt ?”
Eckels eigentliches Thema aber ist die Zukunft : In einer atemberaubenden Vision erzählt er von schier unendlichen Giga-Shopping-Citys mit 600-säligen Kino-Centern und angeschlossenen Event-Churchs, wo es die 10 Gebote als Klingeltöne und tägliches Happy-Hour-Beichten gibt. Mit einem Bildungs-Rap demonstriert er überdies wegweisende Unterrichts-Strategien und mit einer “Spannungs-CD” eine ganz neue Methode, sich nach einem erholsamen Wochenende wieder rechtzeitig für den Arbeitsalltag einzukrampfen.
Als Zweiter ist Volker Surmann an der Reihe. Der sympathische Bielefelder ist dem Alsergrund-Stammpublikum bereits als die vordere Hälfte des inzwischen aufgelösten Duos “Surmann & Schepansky” ein Begriff. Mit mittlerweile schon wieder längst aus der Mode gekommenen Baggy-Pants versucht das “Bauernkind” verzweifelt, urban und modern zu wirken. Doch das muss bei einem, der als Kind als Skateboard-Ersatz das “Kuhfladen-Schlittern” erfunden hat und statt “street-credibility” höchstens “geschotterte-Hoffeinfahrt-credibility” mitbringt, zwangsläufig in die dafür bestens geeignete Hose gehen. Wie auch seine Party aus tragischen Anlass seines 30. Geburtstags : hier ein Grüppchen arroganter Designer-Tunten, da eine Handvoll Lehrer – deren smalltalk bekanntlich generell “unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fällt”.
Nach der Pause spielt Newcomer Alexander Sedivy Ausschnitte aus seinem Solo “Blutbild”, in dem er einen zum Wartezimmer-Entertainer in einer Event-Ordination umgeschulten Barpianisten verkörpert. Das ideale Umfeld für schwarzen Humor auf Kosten der Patienten und des ganzen Gesundheitswesens. Nicht nur mit seinen Maffay- und Ostbahn-Kurti-Parodien beweist Sedivy auch sein Talent als Sänger und Liedermacher.
Die letzte Kandidatin ist Birgit Süss. Eine Würzburgerin, die mit ihrer stimmungsvollen Mischung aus ironischen Chansons und pointierten Alltags-Satiren erst vor ein paar Wochen den “Kärntner Kleinkunstdrachen” gewinnen konnte. Mit bissigem aber stets charmantem Humor outet sich als Sex-Feindin – “Die einzig wahre Antwort auf die Frage Wie war ich, Schatz ? lautet : Schwer !” – und versucht, beim TÜV (Pickerl-Überprüfung) mit dem Satz “Hauptsache, es fährt, oder ?” durchzukommen. Dazu serviert sie Lieder zur spontanen Aggressionsbewältigung oder zum Berufsbild einer klassischen Chansonette : Rotwein zum Frühstück – und zum Essen nichts als “Käsbrötle”.
Fazit : Vier wirklich hochklassige Kontrahenten, die dem gespannten Final-Publikum einen abwechslungsreichen Abend auf einem kabarettistischen Niveau boten, wie es der “Kleinkunstnagel” in seinem 9-jährigen Bestehen noch nicht erlebt hat. Nicht zu vergessen, die beiden bewährten Moderatoren des Abends : Alsergrund-Direktor Andi Hutter und seine Kabarett-Duo-Kollege Harry Granitzer sorgten mit ihren einmalig unsäglich, patentierten Witzen zwischen den Darbietungen – wie das Weißbrot bei der Weinverkostung – abermals gekonnt für die notwendige Neutralisierung der Humor-Wahrnehmung.
Doch dann galt es sich für die Jury und das Publikum zu entscheiden : Willst du den hyperaktiven Jungunternehmer, der dich mit Vollgas und wasserdichter Armbanduhr zur Happy-Hour-Beichte begleitet ? Oder das Bauernkind, das dir Kuhfladen-Schlittern beibringt und mit obergescheitem Smalltalk nervt ? Oder den Bar-Pianisten, der dich im Wartezimmer mit Peter Maffay und Willi Resetarits beglückt ? Oder entscheidest du dich für die unterfränkische Chansonette, mit der du nach einer unerfüllten Nacht auf der Rückbank einer Rostlaube eine Flasche Rotwein köpfst ?
Es waren schlussendlich die originellen Pointen, die beeindruckende Dichte, die überzeugende Figur und die rundum stimmige Darbietung, die den Ausschlag für Klaus Eckel gaben. Ein Programm, wie eine Jurorin anmerkte, dass man unbedingt in voller Länge sehen will – um zu sehen, ob er das Tempo überlebt. Herzlichen Glückwunsch. Klaus Eckel erhält nicht nur das von der Agentur “E&A” spontan auf 4000 Euro verdoppelte Preisgeld, sondern auch fünf Spieltage im “Theater am Alsergrund”, die er aber wahrscheinlich – seien wir ehrlich – auch ohne den Sieg bekommen hätte.
Der bereits am Mittwoch verliehene “Neulingsnagel” für blutige Anfänger geht heuer an das Duo “BlöZinger”, bestehend aus dem Wiener Robert Blöchl und dem Linzer Roland Penzinger. Mit Auszügen aus ihrem Debut-Programm “Beziehungswaise” (zu sehen im März 2005 im “Theater am Alsergrund”) punkteten sie laut Jury-Entscheid “mit erfrischender Interaktion mit dem Publikum, guter Bühnenpräsenz und spielerischem Charme”.
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