Ex-Ratte und Wolf
Der Standard 10/1998
Den Wiener Kabarettpreis gewannen am Wochenende im Theater am Alsergrund – nach fünf spannnden Wettkampftagen – zwei Künstler ex-aequo: Über jeweils einen halben „Goldenen Kleinkunstnagel“ freuen sich Dessi Pajakoff und Hubert Wolf.
Ersterer war die eigentliche Überraschung des Wettbewerbs. Denn allzu hoch waren die Erwartungen bei ihm nicht. Seit der Auflösung seines anarchisch angehauchten Trios „Die Ratten“ hatte er mit seinen Solo-Versuchen wenig überzeugen können. Doch seine „Nagel“-Darbietung bietet Anlaß zur Hoffnung, daß sein neues Programm – Ar-beitstitel : „Die Geschichte des Kabaretts“ – ein sehenswertes wird. 20 Minuten lang dozierte er über den Aufstieg und Fall einer sowjetischen Kabarett-Kolchose. Ein Dia-Vortrag über staatlich verordnete Witze und Humor im Sozialismus. Konsequent in der Ausführung und verblüffend in seiner Originalität.
Ebenfalls kein Unbekannter ist der charismatische Sänger und Schauspieler Hubert Wolf, der zusammen mit seinem – mit erstaunlicher Fingerfertigkeit und mimischem Enthusiasmus gesegneten – Gitarristen Bruno Reininger bereits im Frühjahr im Rahmen der Late-Night-Schiene in der „Drachengasse“ auf seine kabarettistischen Qualitäten aufmerksam machen konnte. Der Standard berichtete. Sein Programm „Mitleids-Tour“ ist ein Liederabend, den er zwanglos in den Handlungsrahmen einer Zugsfahrt stellt. Mit beachtlicher Spurbreite, unaufdringlich pointiert und facettenreich interpretiert.
Zwei würdige Sieger eines durchwegs erfreulichen Finales. Denn auch der bemerkens-werte Liedermacher Gant, Schauspieler Christoph Spiess und Profi-Kabarettist Martin Herrmann (D) sorgten für Unterhaltung auf hohem Niveau. Letzterer hatte ja bereits vor vier Jahren – mit zum Teil den gleichen Nummern (!) – den nur einmal ausgetragenen „Wiener Kleinkunst-Hugo“ für sich entscheiden können …
Was noch auffiel : In der Vorrunde traten auch einige ausschließlich schmerzhafte, namentlich nicht erwähnenswerte Wirtshaus-Entertainer an, die auf Kleinkunst-Bühnen nichts verloren haben. Der Pferdefuß des Kabarett-Boom-Sogs.
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