Spiel- und Speisesäle
Wo die Wiener Kabarettszene zu hause ist: Die fünf wichtigsten Kleinkunstlokale im Vergleich.
Kabarett-Kurier / 15. Oktober 2001
Vindobona
20., Wallensteinpl. 6, 332 42 31 (Theater), 330 09 34 (Lokal).
320 Plätze / Vorstellungsbeginn : 20 Uhr
Restaurant täglich von 18 bis 1 Uhr (Küche bis 0 Uhr)
Hauptspeisenpreise : 95,- bis 145,-
www.vindobona.at
Nicht wirklich vom Glück begünstigt war in letzter Zeit das traditionsreiche Lokal in der Brigittenau : Bereits zum zweiten Mal wurde es von ortskundigen Tresorknackern heimgesucht. Allerdings auf eine derartig humorlose Weise, dass der Kreis der Verdächtigen nie auf die dort besonders ortskundigen Kabarettisten ausgedehnt wurde. Neben der gesamten Palette heimischer Topstars gastieren im “Vindo” auch immer wieder Humoristen aus dem deutschsprachigen Ausland. Nicht zuletzt wegen des für die Kleinkunst ideal geeigneten Rahmens : ein amphitheaterartig ansteigender Saal, in dem es sich das Publikum an Tischen bequem machen kann. Wobei bequem vielleicht nicht unbedingt das richtige Wort für die möglichst bald zu vermöbelnde Bestuhlung ist. Tiefe Eindrücke garantiert. Egal. Vorher und nachher kann man sein Sitzfleisch ja an einer der drei Bars oder im gepolsterten Restaurant entspannen. Zum gediegenen Abendessen spendiert der Hausherr seinen Theaterbesuchern ein Glas Sekt oder ein Dessert. Parkplatzsucher wissen zu schätzen, dass es nur zwei Häuserblocks entfernt eine Parkgarage gibt, in der sie – mit Einfahrtsticket vom “Vindobona” – ihre Karosse kostengünstig und nervenschonend unterstellen können.
Orpheum
22., Steigenteschg. 94b, 481 17 17 (Theater)
350 Plätze / Vorstellungsbeginn : 20 Uhr
Restaurant an Veranstaltungstagen von 18 bis 0.30 Uhr (Küche bis Mitternacht)
Hauptspeisenpreise : 69,- bis 117,-
www.orpheum.at
Mit absolut angemessenen Pomp und Trara feiert das größte und jüngste Kabarettlokal Wiens Mitte November eine prall gefüllte Woche lang seinen fünften Geburtstag. Fünf Jahre, in denen es sich trotz seiner transdanubischen Abgelegenheit zu einem fixen und besonders sympathischen Eckpfeiler der Wiener Kleinkunstlandschaft gemausert hat. Den stimmungsvollen Saal wissen nicht nur alle Topstars und Nachwuchshoffnungen der Kabarettszene, sondern gelegentlich auch internationale Rockgrößen wie “R.E.M.” oder Bryan Adams zu schätzen. Soziale Treffsicherheit beweist das “Orpheum” mit seinen pikanterweise “Blaue Tage” genannten Low-Budget-Terminen : An diesen zahlen Einkommensschwächere (Studenten, Pensionisten, Zivildiener etc.) nur 100,- pP.
Der gepflegte, gemütliche und vom Theaterbetrieb so gut wie möglich getrennte gastronomische Bereich besticht nicht nur mit einem Zierfisch-Aquarium, sondern auch und vor allem mit einer verlockungsreichen Speisekarte, die neben den kulinarischen Klassikern der Wiener Küche auch ein halbes Dutzend vegetarische Hauptspeisen aufzuweisen hat. Das ideale Ambiente für ausgiebiges Avant- und Après-Kleinkunst-Vergnügen.
Kabarett Niedermair
8., Lenaug. 1a, 408 44 92.
100 Plätze / Vorstellungsbeginn : 19:30 Uhr
www.niedermair.at
In den 80ern und 90ern war das “Niedermair” die Brutstätte des kabarettistischen Nachwuchses : Alfred Dorfer und Roland Düringer (damals noch zusammen als “Schlabarett”), Josef Hader, Thomas Maurer, Karl-Ferdinand Kratzl etc. – sie alle haben hier begonnen. Das waren noch Zeiten : Wer aufs Klo wollte, musste über die Bühne klettern, und drahtig einschneidende Klappsessel wurden je nach Bedarf so eng gestellt, dass auch im Zuschauerraum geflügelfarm-ähnliches Brutstätten-feeling aufkam. Seit dem vom langjährigen Direktor I Stangl durchgeführten Umbau ist alles ganz anders : Zwar kommt man sich in den – etwas großspurig aber funktionell in die Sektoren A bis E unterteilten – 13 Sitzreihen unverändert näher, aber es gibt kein störendes Sesselgerücke und keinen Kampf um die besten Plätze mehr. Wer seine Tickets zuerst abholt, sitzt fixplatziert vorne – und somit schon fast mitten im Bühnengeschehen. Dass das Angebot an der stilvoll geschwungenen Bar überschaubar (Getränke und kleine Snacks, siehe Photo) ist, tut der Freude keinen Abbruch, denn das “Niedermair” punktet auch unter seiner neuen Leitung mit einem spannenden Spielplan. Hier kommt vornehmlich das wertvolle kabarettistische Mittelfeld zum Einsatz: also all jene, die schon längst Stars wären, wenn die vorderen Chart-Plätze nicht so unverrückbar belegt wären.
Theater am Alsergrund
9., Löblichg. 5-7, 310 46 33.
70 Plätze / Vorstellungsbeginn : 19:30 Uhr
come.to/theater-am-alsergrund
Gäbe es einen Preis für Engagement und Opferbereitschaft, Andreas Hutter hätte ihn seit Jahren abonniert. Vor 10 Jahren schloss der Schauspieler und Ex-Kabarettist einen günstigen Mietvertrag für ein desolates Souterrainlokal ab, um selbiges in fünfjähriger Hand- und Knochenarbeit und mit Liebe zum Detail in ein Kleinkunstlokal zu verwandeln. Dadurch kann es sich Hutter dankenswerterweise leisten, auch Newcomern und hierzustadte noch mit geringem Publikumsmagnetismus ausgestatteten Kabarettisten in seinen Spielplan aufzunehmen. Gleich drei Wien-Premieren bieten in den nächsten Wochen spannende Exkursionen nach Neulachland. Das “Alsergrund” hat sich in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Knotenpunkt im Netzwerk der deutschsprachigen Kabarett-Nachwuchsförderung entwickelt.
Der mit ca. 10m² vielleicht doch etwas klein geratene Bar- und Pausenraum – rasch einen der drei Hocker sichern! – sorgt zwangsläufig für hautnahe zwischenmenschliche Kontakte. Aber er soll schon bald erweitert werden. Wie auch die spartanische Snack-Palette, die nur zu feierlichen Anlässen um selbstgemachte Kuchen oder Aufstrich-Brote erweitert wird. Doch der gute Wille ist omnipräsent: zu jedem Kaffee gibt es ein Stück Schokolade. Der Hunger auf kabarettistisches Neuland, ungeschliffene Diamanten und humoristische Überraschungen wird indes im “Alsergrund” täglich mit Nachdruck gestillt.
Kulisse
17., Rosensteing. 39, 485 38 70 (Theater), 485 44 02 (Lokal).
200 Sitzplätze / Programmbeginn : 20 Uhr
Restaurant täglich von 18 bis 1 Uhr (Küche bis 0 Uhr)
Hauptspeisenpreise : 78,- bis 134,-
www.kulisse.at
Das Schicksal ist ja bisweilen so ungerecht. Zumindest fehlt es ihm an Zielgenauigkeit. Seit Jahren schon wünscht man sich, der Blitz möge in den unterdimensionierten, beige verfliesten und gelinde gesagt geschichtsträchtigen Sanitärbereich der Kulisse einschlagen. Und was passiert ? Eine tonnenschwere Mauer kracht vom benachbarten Abbruchhaus auf den Veranstaltungssaal. Der durchschlagende Erfolg dieser “Einstürzenden Altbauten” bescherte der Kulisse im Frühjahr einen gehörigen Dachschaden. Inzwischen ist aber wieder alles gut : Der neu überdachte Theaterraum hat sogar eine zugkräftigere Lüftungsanlage bekommen. Und die einst für die vorderen Plätze genickstarrkrampfig hohe Bühne wurde um 20 Zentimeter gesenkt.
Der Saal und das Restaurant der Kulisse vermitteln auch weiterhin authentisches, urtümliches Beisl-Flair. “Es war uns wichtig, an der bewährten Athmosphäre nicht herumzudoktorn”, erläutert Chefin Doris Ringseis. Entspannt sitzt das Publikum in der Kulisse um Wirtshaus-Tische und genießt – vor und nach der Kleinkunst – die raffinierte Wiener Küche, die mit wöchentlich wechselnden Spezialangeboten auch eine internationale Note bekommt. Mit regelmäßigen Nichtraucher- und verbilligten Einsteiger-Tagen kommt die Kulisse auch jenem Klientel entgegen, das nach einem Kabarettbesuch weder geräuchert noch verarmt nach hause gehen möchte.
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