Killerkipferl
Der Standard 10/1997
Im Trend lagen Steinböck & Rudle bislang noch zu keinem Moment ihrer Karriere: Ihr erstes Nummern-Kabarett-Programm veröffentlichten das Schauspieler-Duo, als ein Hader gerade an „Privat“ schrieb und jeder Komiker, der etwas auf sich hielt, rote Fäden zwischen seinen Witzen spannte. Bei Steinböck & Rudle aber ging das Licht aus, es ging wieder an, sie hatten sich umgezogen, und eine neue Nummer begann. Heute, fünf Jahre später, da Comedy ein auch auf österreichischen Kleinkunstbühnen anerkanntes Unterhaltungsmittel ist, haben Steinböck & Rudle ihr Metier dermaßen professionell renoviert und vor allem so fest im Griff, dass ihnen mit ihrem neuen Programm „Killerkipferl“ (bis Ende Dezember im Kabarett Niedermair) inmitten des Unterhaltungs-Mainstreams ein markanter, innovativer und hoffentlich zukunftsweisender Orientierungspunkt gelungen ist.
Zwar besteht auch das „Killerkipferl“ wieder aus einzelnen Nummern, doch das ist auch schon alles, was es mit herkömmlichem Nummern-Kabarett gemein hat. Klassische Blackouts gibt es so gut wie gar nicht. Und wenn, dann an Stellen, an denen man sie nicht erwarten würde. Wo sie weder als funktionelle Pausen, noch als thematische Trenner, und schon gar nicht als herkömmliche Pawlow’sche Applaus-Reflex-Auslöser fungieren, sondern vielmehr als emotionale Katalysatoren: Dramaturgische Kunstgriffe, mit denen sich Steinböck & Rudle unmerklich von einer Nummer in die andere schleichen. Verstärkt wird diese Grenz-Vertuschung auch dadurch, dass sie sich zu Kommentatoren ihrer eigenen Darbietung machen. Nicht als banale Conférenciers, sondern in Form von Theater im Theater.
Es ist der weite Rahmen ihrer Möglichkeiten, der ihnen dieses doppelte Spiel ermöglicht. Ihre stimmliche und körperliche Präzision, mit Hilfe derer sie sich – neben niveauvollem Nonsense, perfekter Parodie und bodenlosen Blödheiten – auch schmerzvolle Brüche und ernsthafte Anliegen leisten können, die üblicherweise in einem flotten Comedy-Programm nur wenig zu suchen haben. Darüberhinaus verleiht ihren Nummern der Anspruch, konstant und konsequent außergewöhnlich zu sein, ein derartiges Maß an Absurdidät, Albernheit und Abwechslung, das ihre Beurteilung schlussendlich auf Geschmacksfragen reduziert.
Mag sein, daß der eine oder andere beim exekutiven Funkverkehr allzusehr an Qualtingers legendäres „Unternehmen Kornmandl“ denken muss oder das Sterbe-Seminar für eine vergebene Standard-Situation hält. Dafür gibt es einen alkoholisierten Monolog an die soeben überfahrene Katze, eine Parodisten-Parodie, ausdruckstanzende Fußball-Trainer, ein drogenseliges Heurigenlied u.s.w.
Kurz und gut: „Killerkipferl“ ist der Beweis dafür, daß auch klassische Kleinkunst innovatives Design verträgt – und das derzeit mit Abstand beste deutschsprachige Comedy-Kabarett-Programm.
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