Es kommt auf die Größe an
Der Standard 01/1999
Nichts ist so unbequem, wie die “Bar & Co” genannte Zweitbühne des “Theaters in der Drachengasse” bei Premieren. Eingekeilt zwischen Vordermann und Stickigkeit ist der Besucher ständig bemüht, durch den Wald der Köpfe das Bühnengeschehen nicht gänzlich aus den Augenwinkeln zu verlieren. Einer Theater-Produktion, der es inmitten dieser wideren Umstände niederer Gewalt gelingt, zwei Stunden lang zu faszinieren, ist höchste Anerkennung zu zollen: Mercedes Echerer spielt “Karriere”. Eine Novelle (Bühnenfassung & Regie: Verena Kurth) des österreichischen Autors und Satirikers Robert Neumann (1897 – 1975), die seiner Interpretin ein Maximum schauspielerischer Entfaltung ermöglicht.
Erna ist eine schlagfertige Prostituierte aus dem rumänischen Arad, die an der Seite ihrer Männerbekanntschaften europaweit Karriere macht: als ehrbare Geschäftsfrau oder gevifte Gaunerin. Sogar bis in diplomatische Kreise dringt sie mit Charme und Schläue vor. Beruf und Rang ihrer jeweiligen Lebensabschnitts-Liebschaften dienen ihr als Sprungbrett, um selbige in allen Belangen zu überflügeln. Nicht mit List und Tücke, sondern aus aufrechter Liebe. Eine Traum-Karriere oder das wirkliche Leben ? Was soll’s. Die Kleinkariertheit und Geistesgröße der weiten Welt ist dieselbe, wie in Arad. Und Erna selbst ist so klein – und doch die Größte.
Mercedes Echerer gelingt auf unwiderstehliche Weise die Belebung dieser energischen, verwundbaren, stolzen Frau – und des stilistisch eigentümlichen Texts : “Wenn eine das Unglück hat, sie ist ehrlich – dann kann sie dagegen nicht.” Überzeugend und spielfreudig, mit unaufdringlicher Komik verkörpert sie en passant all jene Charaktere, von denen sie als Erna mit Verve, Witz und bisweilen einem Hauch Wehmut zu erzählen weiß.
Nichts gegen gesunde Gesinnungstäterschaft, aber dagegen, daß eine Mercedes Echerer plant, sich in die Politik zu vertschüssen, sollte es ein Gesetz geben.
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