Rivalen und Rappelköpfe
Der Standard 10/2000
Bevor das Spiel beginnt, wird dem Premierenpublikum eine nationalfeiertägliche Grußbotschaft des Bundespräsidenten vorgelesen. Freundliche Glückwünsche von höchster Instanz – und somit ein hübscher Kontrast zu den zentralen Figuren des anschließenden Bühnengeschehens. Auch wenn im Vordergrund der Handlung weniger das Verhältnis von Nestroy (Adi Hirschal) und Raimund (Bernd Jeschek) zur Obrigkeit (Gottfried Pfeiffer als “Hofrat”) als vielmehr zueinander, zur Kritik (Hermann Schmidt als Rezensent “Bäuerle”) und vor allem zur Weiblichkeit steht. Doch so entscheidend der Einfluss von Wagner, Weiler und Krones (Waltraud Österreicher, Gabriele Schuchter, Katharina Stemberger) auch auf das Wirken und Wesen der beiden Lichtgestalten der österreichischen Theatergeschichte gewesen ist, in “Ewig schad um uns” bleiben sie bezeichnenderweise schablonenhafte Randerscheinungen. Dennoch ist das “Alt-Wiener Singspiel” eine interessante, psychologische Chronik der Ereignisse in den Monaten vor Raimunds Selbstmord, in die Peter Hofbauer – ganz zuhause – geschickt Zitate, Szenen und natürlich die bekanntesten Lieder aus den Werken der zeitlebens verfeindeten Bühnenkünstler eingewoben hat.
Dass es bei einem Singspiel von Vorteil ist, singen zu können, belegen vor allem Schuchter – mit einem bewegenden Dulijöh über die Männer, die es gut haben – und Hirschal, dessen facettenreiches Organ bekanntermaßen die erforderlichen Stückerln spielt : vom grindigen Geschnarre bis zum schönen Schmelz. Wenn hingegen Katharina Stemberger gezwungen wird, ihr Stimmchen zu erheben, wird selbst “Brüderlein fein” zu einer nicht enden wollenden Tortur.
Wegen einiger Längen in der ersten Hälfte hat es der kleine Chor auf der Galerie nach der Pause offenbar plötzlich besonders eilig. Zu eilig für das Kammeropern-Orchester unter dem musikalischen Leiter Paul Gulda, der dem biedermeierlichen Ambiente ansonsten einen sicheren, munteren, gelegentlich dezent schrägen, an “Die Knödel” erinnernden Unterton verpasst. Beeindruckend auch das symbolträchtige, multifunktionelle Bühnenbild (Sara B. Weingart) : ein überdimensionaler Sekretär in aufgewühlter Schräglage. Abschüssig und zunehmend abgründig geht es darauf zu. Hinein ins alptraumhafte Finale, in dem endlich jene Begegnung stattfindet, zu der es in Wahrheit nie kam: Zwei Rivalen und Rappelköpfe reichen einander die Hände.
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