State of the Kabarett
Die Kommerzialisierung des Kabaretts: Konserven lassen die Kassen klingeln.
profil 12/1999
Vor genau sechs Jahren war es, da präsentierte Josef Hader im Vindobona seinen ersten Tonträger: Einen der vermeintlich wirkungsvolleren Raumakustik wegen mit merkwürdigen Mikrophonen unterpegelig aufgenommenen und auf zwei CD‘s ohne Cut-Unterteilung gepressten Mitschnitt seines Solo-Programms „Im Keller”. Der damals noch ausschließlich für das Management von Hader und Vitásek zuständige Georg Hoanzl legte besonders großen Wert auf die Feststellung, daß es sich bei der mit einem 30-seitigen Booklet versehenen CD um „kein vorweihnachtliches Kampfprodukt mit Gratis-Gemüsereibe” handle, sondern um ein „Genußmittel für Liebhaber”. Seinerzeit hatte es noch etwas Ehrenrühriges, mit Kabarett-Nebenprodukten womöglich Geld verdienen zu wollen.
Heute sieht das Hoanzl naturgemäß etwas anders. Gratis-Gemüsereiben wurden zwar bislang noch keine beigelegt, aber die Verbreitung kabarettistischer Erzeugnisse auf CD und Video hat mit seiner Hilfe inzwischen flächendeckende Ausmaße angenommen – und sich zu einem eigenen, florierenden Wirtschaftszweig entwickelt. Allein von Haders Nachfolge-DCD “Privat” gingen bislang 60.000 Stück über die Ladentische – womit sie zu Österreichs meistverkauftem gesprochenen Tonträger avancierte. Ein für einige Branchen-Insider reichlich unerklärliches Phänomen: Wer setzt sich zuhause vor seine Heimelektronik, um einen Kabarett-Abend zu erleben? Ist die Freude an einem stimmungsvollen Live-Erlebnis durch das Abspulen einer Ton- oder Bild-Konserve in den eigenen vier Wänden tatsächlich reproduzierbar?
„In Wahrheit weiß ich auch nicht, wer das kauft – und schon gar nicht, warum”, gesteht selbst Georg Hoanzl, Initiator des Kabarett-Konserven-Booms. Die Vermutung liegt natürlich nahe, daß Kabarett-CD’s weit weniger für den Eigenbedarf, als für die selbstlose Weitergabe gekauft werden. Ein Tonträger von Hader, Dorfer oder Maurer erfüllt auf dem Gabentisch schließlich die gleiche Funktion, wie ein gutes Buch: er weist sowohl den Adressaten als auch den Absender als humorvoll, zeitgemäß und verhältnismäßig gebildet aus. Was will man von einem Geschenk mehr?
„Über 50% des Jahresumsatzes machen wir in den Monaten November und Dezember”, gibt auch Hoanzl dieser These recht – und überschwemmt als Vetriebs-Monopolist auf dem Sektor „Kabarett” den Markt auch heuer wieder mit Produkten, die bei der Kaufentscheidung kaum Gegenfragen aufkommen lassen: „Lachen ist doch eindeutig eine schönere Form der Unterhaltung, als Gewaltvideos.” Zu Weihnachten allemal.
Dabei ist Hoanzl in den vergangenen sechs Jahren keineswegs zu einem rücksichtslosen Vermarktungs-Strategen gereift, sondern im Grunde seines Herzens noch immer ein Liebhaber. Einer, der es allerdings gelernt hat, sich der marktwirtschaftlichen Mechanismen zu bedienen, um seine Mission zu erfüllen : Ihm geht es darum, der „Summe von Gegenöffentlichkeiten” – wie er Kabarett definiert – für die Nachwelt zu dokumentieren und sie allen Interessierten zugänglich zu machen. Und das unabhängig von der zumeist nur sehr sporadischen physischen Verfügbarkeit des jeweiligen Künstlers. Hoanzl sieht seine Funktion als Bindeglied zwischen zwei Welten: „Ein Kabarettist will ja in der Regel nicht ein Teil jenes kapitalistischen Systems sein, in dem sich alles um die Werbung und das Weihnachtsgeschäft dreht.”
Das Hoanzl’sche „Best of Kabarett”-Sortiment läßt sich zum größten Teil in drei Kategorien einteilen: Live-Mitschnitte ganzer Programme, personenbezogene Werkschau-Sampler und bunt gemischte Kabarett-Kompilationen. Im Gegensatz zum Musik-Sektor sind eigens im Studio eingespielte CD‘s im Kabarett-Bereich die Ausnahme. Auch aus finanziellen Gründen. Denn während die Produktionskosten für einen unaufwendigen Programm-Mitschnitt bisweilen noch im fünfstelligen Bereich liegen, müssen für Studio-CD’s zumeist mehrere 100.000.- Schilling veranschlagt werden.
Ginge es Hoanzl also ausschließlich um die Umsätze, würde er sich wohl auf einige wenige Verkaufs-Schlager beschränken. Außerdem hätte er sich schon längst mit gewinnspannträchtigen Merchandising-Artikeln eine goldene Nase verdienen können. Doch das überläßt er getrost anderen, „obwohl die sichtbare Identifikation mit einem Kabarettisten und die Fan-Bindung mit Hilfe von Kapperln und T-Shirts durchaus mit meinen langfristigen Interessen korrelieren würde”. Aber zu wenig mit seinem kulturpolitischen Engagement: Um sich den löblichen Luxus leisten zu können, auch die Werke weniger breitenwirksamer Kabarettisten in die gleichen Verkaufs-Regale stellen zu können, in denen Hader und Düringer für Aufmerksamkeit sorgen, müssen halt nur die Zugpferde die entsprechenden Gewinne einfahren. So einfach diese Rechnung ist, so schwer ist die Gratwanderung: „Wir sind ein Kulturunternehmen, das wirtschaftlich geführt wird.”
Ideologische Debatten darüber, ob das Millionengeschäft mit dem Kabarett mit seinen oft systemkritischen Inhalten unter einen Hut zu bringen ist, sind in letzter Zeit deutlich leiser geworden. Nicht einmal der Umstand, daß Roland Düringer seine “Benzinbrüder-Show” im April an zwei Abenden vor über 16.000 Zuschauern abzog, war mehr dazu im Stande, besondere Entrüstung hervorrufen. Schließlich waren seine ausverkauften Auftritte in der Wiener Stadthalle ja auch nicht der Auftakt dafür, die Kleinkunst nun endgültig zur Ausschlachtung freizugeben, sondern nur ein etwas krasses Symptom jenes Stellenwerts, den sich einige wenige Kabarettisten in Österreich in den letzten Jahren erarbeitet haben.
Wobei Düringer zugegebenermaßen ein extremes Beispiel ist. Was auch immer er in den letzten Jahren angefaßt hat, wurde prompt zu Gold. Mit Ausnahme jener Single-CD „Wea bremst, valiat”, auf der er sich vergangenes Jahr als Sänger versuchte. Aber ein Ladenhüter bestätigt die Regel: Die Verfilmung seines Solo-Debut-Programms “Hinterholz 8” lockte 600.000 Besucher in die Kinos, das Video dazu verkaufte sich in den ersten 4 Wochen bereits 40.000 Mal. Die bislang sechs Video-Folgen der mit Alfred Dorfer erarbeitete TV-Sitcom “MA 2412” – nach ihrem Schlabarett-Programm “Mahlzeit” – fanden insgesamt bereits 100.000 Abnehmer. Und auch das vierstündige DoRo-Doppel-Video von und über seinen Stadthallen-“Gig” war bereits allein aufgrund der Vorbestellungen vergoldet noch bevor es in den Handel kam.
Das Geschäft blüht – und Hoanzl frohlockt: „Endlich genießt das Kabarett jene Aufmerksamkeit und Präsenz, die ihm in Österreich schon seit langem zusteht.” Ein Umstand, von dem langfristig auch jene jungen, heimischen Kabarettisten profitieren müßten, die es trotz hoher Qualifikation derzeit nicht ganz leicht haben, sich in der von Arrivierten dichtbesiedelten Szene zu positionieren.
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