Furchtbar wurschtig
Der Standard 10/1994
Seit 12 Jahren steht er als professioneller Lach-Macher auf den Kleinkunst-Bühnen zwischen Neusiedl und Nüziders. Vorrangig natürlich im Niedermair. Jenem Kabarettlokal, dessen Geschicke er seit vier Jahren leitet: I Stangl. In Wien gibt es keinen zweiten Veranstalter, der seinen Beruf mit soviel Herz und Engagement ausübt. Nicht umsonst wird er von so manchem der jungen Kabarett-Generation ehrfurchtsvoll als „Papa“ tituliert.
Er selbst hat sich im Laufe des letzten Jahrzehnts vom gift- und galligen Überzeugungstäter, vom radikal-plakativen Breitwand-Clown zu einem feinsinnig-literarischen Satiriker, einem nuancenreichen Humoristen gewandelt. Eine Entwicklung, die in der „Übergurke“ (1992, ausgezeichnet mit dem Salzburger Stier) und dem Stück „Mariandl III“ (1993) ihren vorläufigen Höhepunkt fand – und Hand in Hand ging mit zunehmendem Publikums-Desinteresse. Eine der zahlreichen Frustrationen, die den scheinbaren Dickhäuter Stangl tief in den Restwerten seines künstlerischen Credos trafen und seinem zehnten Programm als Abschussrampe dienlich waren: „Furchtbar witzig“ soll eine hämische Kapitulation vor dem Zuschauer-Geschmack werden. Für I Stangl ist das nur ein kleiner weiterer Schritt auf seinem einsamen Weg zur endgültigen Entmystifizierung des angeblich so tugendhaften, ideologisch einwandfreien Kabarettisten.
„Das Programm ist die Folge dessen, dass das, was die Leute wollen, einfach brunzdeppert sein muss. Und man stellt sich ja auf eine Bühne, damit Leute kommen, sonst hat das Ganze ja keinen Sinn. Nicht umsonst sind die kabarettistischen Mega-Gigs die brunzdeppertsten. Die, in denen mit den einfachsten Mitteln gearbeitet wird. Auch in der Werbung. Denen geht es ja schon lang nicht mehr darum, auf einer Kultur-Seite vorzukommen. Hauptsache, sie stehen einmal in der Woche im Adabei, weil sie sich fast ein Bein gebrochen hätten. In Anbetracht dessen, dass meine letzten Geschichten im Grunde genommen Niederlagen waren, will ich mit „Furchtbar witzig“ dieses Prinzip – also den Publikumsgeschmack – einfach nur bedienen.“
Ist das die endgültige Resignation nach einem Leben für das politisch und künstlerisch aussage-kräftige Kabarett?
„Na, klar ! Du musst einmal kapieren, dass du die Menschen nicht zu einer politischen Meinung bekehren kannst. Außerdem frag ich mich, warum sie sich das überhaupt gefallen lassen müssen. Das hat ja was von Sektenführertum. Die Leut‘ wollen sich unterhalten – und ich hab mir jetzt einfach gedacht: Mach’s wie die anderen und gib‘ ihnen die Brunz-Schmäh. Aus.“
Macht Ihnen das noch Spaß?
„Davon ist ja keine Rede. Wieviel Spaß haben sie an ihrem Job? Wieviel Prozent der Österreicher gehen gern hackln? Eben. Also warum sollte ausgerechnet ich motiviert an die Arbeit gehen?“
Bei Künstlern wird das üblicherweise etwas anders gesehen. Da spielt doch der hehre Gedanke der Selbstverwirklichung eine viel größere Rolle.“
„Also der hehre Gedanke ist mir noch nie gekommen. Naja, vielleicht damals vor dreizehn Jahren, als ich mir den Beruf ausgesucht habe. Aber das ist ja zum Abschminken.“
Das muss rückblickend aber eine ziemlich traurige Entwicklung gewesen sein.
„Sicher. Ganz allgemein ist die Entwicklung heutzutage sehr traurig. Wir haben im Niedermair noch nie einen so katastrophalen Herbst gehabt – von der Auslastung her gesehen. Aber ich will mich gar nicht aufhalten mit der Frage, warum das so ist. Als Antwort gibt’s mein Programm – das im übrigen dann doch nicht ganz so geworden ist, wie ich es vorgehabt hatte.“
Also doch kein Gaudimax, sondern böser und hintersinniger als geplant?
„Ja. Aber es ist nur deshalb böser und hintersinniger und zarter geworden als geplant, weil ich ja überhaupt nicht vorgehabt hatte, hintersinnig oder böse zu sein. Jetzt macht es sich halt ziemlich über Frauen und Kinder her. Aber es hat noch immer keinerlei gesellschaftspolitische Aussage.“
Gibt es eigentlich noch irgendetwas, was Ihnen Freude bereitet. Oder hat Sie die Frustration bereits überwältigt?
Überhaupt nicht. Mich freut zum Beispiel das zweite Programm von „Steinböck & Rudle“, das derzeit läuft. Ein wirklich großer qualitativer Sprung im Vergleich zum letzten Programm. Wenn man dann allerdings jeden Abend die Tür aufsperrt und feststellen muss, dass wieder nur 60 Vorbestellungen sind, kommt schon wieder der Frust. Aber es ist alles nicht mehr so extrem wie früher. Eigentlich bin ich weder frustrierter noch fröhlicher geworden. Nur wurschtiger.
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