Die Liebe ist ein seltsames Spiel
Der Standard 05/1997
„Indien“ liegt also jetzt im Akademietheater, statt auf Kleinkunstbühnen: Jenes tragikomische Kabinettstück, mit dem seine Urheber Alfred Dorfer und Josef Hader 1991/92 in ganz Österreich unterwegs waren, das aber erst mittels seiner kongenialen Verfilmung von Paul Harather auf Umwegen durch die Kinos den ihm gebührenden Grad an Aufmerksamkeit und Anerkennung und schließlich den Rückweg zum Theater fand. Unter anderem ins Berliner Schlossparktheater, wo sich Anfang des Jahres Heribert Sasse und Michael Schottenberg des Dialogs annahmen – und nunmehr mit ihrer in Eigenregie erarbeiteten Produktion in Wien gastieren. Im Akademietheater. Ausgerechnet dort, wo Witz – ab einer gewissen Dichte – zumeist Verwechslung, zumindest aber Turbulenz bedeutet. Fragwürdigkeiten sind daher schon fast vorprogrammiert.
Z.B.: Ist ein Theaterpublikum wirklich im Schnitt um soviel beschränkter als ein Kabarettpublikum, dass ihm von Anfang an in jedem blackout unerbittlich mittels Connie Francis an sich schon nervenden „Die Liebe ist ein seltsames Spiel“ eingetrichtert werden muss, dass sich zwischen Kurt Fellner und Heinz Bösel im Verlauf des Stücks eine eigentümliche Männerfreundschaft entwickeln wird?
Oder: Hat Michael Schottenberg privat wirklich so wenig Gelegenheit, seine Umgebung zum Lachen zu bringen, dass man zu Beginn des Stücks jede Pointe unter seinem Gewicht ächzen hören muß ?
Im Gegensatz zu Sasse, der die Figur des in Liebe, Haß und Tod zu aufrichtiger Primitivität neigenden Bösels überzeugend verkörpert, tauchen bei Schottenbergs Darstellung des Yuppies Fellner Zweifel auf. Nicht nur, dass der in Wirklichkeit fünf Jahre nach Sasse geborene Schottenberg als Fellner eigentlich ganze 15 Jahre jünger als Bösel sein müsste – er sieht aus, als wäre er zehn Jahre älter als sein Kollege. Dadurch verleiht er seinem teilweise in jugendlicher Sprache gehaltenen Text eine interessante, weil befremdliche Diskrepanz erzeugende Note, gerät aber in gefährliche Nähe zur Karikatur: Ein gealterter Ungustl – und gleichzeitig pseudointellektuelle Plaudertasche.
Zwar offenbaren beide auf unterschiedliche Art ihre jeweiligen persönlichen Abgründe und Unzulänglichkeiten, doch schon aufgrund ihrer äußerlichen Ähnlichkeiten geht die ursprünglich herzerreißend dramatische Dynamik der sich wandelnden Sympathien weitgehend verloren. Bösel: von der ekeligen Vulgarität zur mitleiderregenden, weil hilflosen Herzlichkeit. Fellner: vom zwar belächelten, aber im Kontrast zu Bösels Rohheit absolut liebenswerten Softie zum auf- und abgeklärten Todgeweihten – dessen tragisches Ende aber im Akademietheater schlussendlich nur bei Sasse Tränen hervorrufen konnte.
Begeisterte Ovationen gab es dennoch. Für ein Stück, dessen Neuinterpretation leider auf die Vermittlung der subtilen emotionalen Entwicklung der Beziehung zweier Menschen zueinander zugunsten vordergründiger Gagablieferei und Betonung verbaler Grobheiten weitgehend verzichtet, und die sich daher – wie auch jeder neue „Herr Karl“ – den zumindest hinterköpfigen Vergleich mit dem prägenden Original gefallen lassen muss.
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