Voller herrlich hohler Stellen
Der Standard 04/1998
„Am Anfang war das Nichts“. Und weil, wo nichts ist, auch nicht viel passieren kann, passiert erst einmal lange Zeit nichts. Das Nichts aber zu einer Nummer zu machen – das ist u.a. die hohe Kunst des Franz Hohler. Jenes 55-jährigen Schweizer Autors und Kabarettisten, dem ob seiner bereits 33-jährigen Buch- & Bühnen-Erfahrung gern die Kategorisierung „Urgestein“ vorangestellt wird – und der dem Osten Österreichs nur alle heiligen Zeiten Besuche abstattet. Die kommende Woche ist demzufolge besonders heilig: Von Dienstag bis Samstag gastiert er mit einem „Best-of“-Programm in der Wiener „Kulisse“.
Zurück zum Nichts. Wenn das Publikum vorfreudig auf seinen Sitzen zu scharren und die Erwartungshaltungen sich bedrohlich zu ballen beginnen, dann ist Franz Hohler in seinem Element. Denn das Spiel mit Erfüllung und Enttäuschung beherrscht er virtuos. Zu einer Zeit, da Kabarett noch gutteilig aus Witzen bestand, schrieb er „Wegwerfgeschichten“, deren Pointe zumeist in ihrer völligen Pointenlosigkeit bestand. Als vor einem Vierteljahrhundert eine „Grün-Bewegung“ höchstens das Koordinieren von Ampelanlagen verhieß, schrieb er bereits ökologische Satiren und Umweltschutz-Songs – von denen einer ob seiner Brisanz im Vorjahr (!) mit dem SWF-Liederpreis ausgezeichnet wurde. Vielleicht, weil er – wie er selbst sagt „nicht aus biographischem Frust“ Kabarettist geworden sei und dadurch „den Blick für vieles andere frei“ gehabt habe.
Vielleicht auch, weil den Stil des gebürtigen Bielers von Anfang an etwas zeitloses, märchenhaftes umwehte, das weder etwas mit frontalem, studentischen Überzeugungskabarett, noch mit harmlosem Gejuxe zu tun hatte.
Seinen ersten Auftritt hatte er mit 22 Jahren – als „Solo-Kabarett“ noch „Einmann-Programm“ hieß – im Heizungskeller der Uni Zürich. Eine Institution, der er sich rückblickend ob des unbürokratischen Entgegenkommens bei der Bereitstellung der Räumlichkeit bei weitem verbundener fühlt, als wegen der fünf Semester seines abgebrochenen Germa- und Romanistik-Studiums. Denn seit damals ist Franz Hohler ein fixer Bestandteil der deutschsprachigen Kleinkunst. Er verfasst Bücher für Kinder und Erwachsene, gestaltet Radio- und Fernseh-Sendungen, schreibt Hörspiele – und alle paar Jahre ein neues Kabarett-Programm: Sanfte, sagenhafte Satiren, in denen er Alltäglichkeiten wie beiläufig ins Absurde überhöht und dadurch scheinbare Selbstverständlichkeiten und Zeiterscheinungen gehörig in Frage stellt – und unser aller alpinen Heimatboden unablässig auf seine hohlen Stellen abklopft. Dass ihm bei dieser Trauerarbeit bisweilen seine moralistische Alters-Ader anschwillt, ist nicht so schlimm. Denn in erfreulicher Ermangelung großer Gesten des Besserwissens läuft sie keine Gefahr, zu einer kabarettistischen Krampfader zu verhärten.
Franz Hohler ist vor allem ein humoristischer Humanist, der mit seinem klassischen, literarischen Kabarett – im freundlich-sonoren Tonfall seines ihn begleitenden Cellos – heiter-besinnliche Hinterhältigkeiten und liebenswürdige Gemeinheiten austeilt. „Ein Kabarett-Wolf im Schafspelz des harmlosen Märchenonkels“ („NZZ“).
Sein Programm „Wie die Berge in die Schweiz kamen“ besteht zum überwiegenden Teil aus derartigen und hierzulande weitgehend wenig bekannten Hohler-Klassikern über den „Theaterdonnerer“, die Konfrontation des Presslufthammers mit dem Ei, den politisch-kulturellen Zwiespalt eines Zürcher Bestattungsunternehmers, der mit der Rückführung von Lenins Leichnam konfrontiert wird – oder den gemeinsamen Trip von Teufel und Jesus zum Papst : „Gemeinsam sind wir stark“. Ein Live-Konzentrat der fabulösen Höhepunkte aus dem Schaffen eines fast schon ein wenig weisen Kauzes. (pb)
Kulisse, 17., Rosensteing. 39, 485 38 70, 28.4 – 2.5., 20:00 Uhr
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