Der Witz hat seine Schuldigkeit getan
Der Standard 09/1995
Seit Jahren wird er in jener vormals jungen Kabarett-Szene, die aus dem Dunstkreis des Niedermairs hervorgegangen ist, als abschreckendes Beispiel, von manchen sogar regelrecht als Feindbild gehandelt : Hans-Peter Heinzl. Jener Humorist, der schon bald 20 Jahre lang auf diversen österreichischen Bühnen für kabarettistische Konstanten sorgt. Sein eigenes Theater ist ihm seit geraumer Zeit bereits zu ungeräumig, weswegen er auch die Premiere seines neuen Programms „999 Jahre – die österreichische Seele auf der Couch“ ins Konzerthaus und die wöchentliche Auftrittsserie ins Theater an der Wien verlegt hat. Eine rationelle Spielweise, die ihm, der er vor zwei Jahren dem Krebs noch einmal von der Schaufel gesprungen ist, kaum vorzuwerfen ist. Schließlich ist es nicht seine Schuld, dass die historisch-hallige Akustik selbst der modernsten Delay-Anlage ein Schnippchen zu schlagen vermag und die Spitzen und Schärfen seiner humoristisch-analytischen Vivisektion des Österreichers teilweise im Schallbrei ertränkte.
Es sind aber keineswegs die technischen Details, die das bemerkenswerte an diesem Pro-gramm darstellen. Vielmehr ist es die offensichtliche Bekehrung des Hans-Peter Heinzl zu der Überzeugung, dass nicht jede sich dem Witze-Routinier aufdrängende Pointe auch ins Programm eindringen muss. Mit Eleganz umschifft er alle seichten Stellen, um nur ja nicht ins applausverseuchte Fahrwasser der billigen Scherze zu geraten. Seinen berührenden Liedern bietet er somit nicht nur erstmals ein Umfeld, das ihrer Kredibilität nicht schadet und für das sie sich nicht zu schämen brauchen, sondern darüberhinaus auch eine viel zum Gelingen des Abends beitragende dreiköpfige Band und – die substantiellste Novität dieses als kabarettistische Gruppentherapie konzipierten Abends – die uneingeschränkte Rolle des Botschafters, die bis dato noch vom Witz beansprucht wurde.
Mit Geschmack hat das natürlich alles noch nichts zu tun: Den Stil des Vortrags, in dessen vordergründiger Bescheidenheit immer ein Hauch nasaler Arroganz mitschwingt, kann man mögen, oder auch nicht. Doch wer gerne und mit konsequenter Aufmerksamkeit sonnen- und schattengereifte An- und Einsichten lauscht, dem kommt Heinzl neuerdings auf atmosphärisch angenehmste Art entgegen.
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