Diesseits von Eden
„Paradies“: Andrea Händlers kabarettistischer Fruchtcocktail vom Baum der Erkenntnis.
profil 02/2002
Die biblische Schöpfungsgeschichte bis zum paradiesischen Sündenfall ist eine an Anknüpfungspunkten nicht gerade arme, also kabarettistisch dankbare Basis. Andrea Händler dient sie in ihrem neuen Solo „Paradies“ als verlässliches Sprungbrett, mit dessen Hilfe es sich recht rasant durch Szenen federn lässt, in denen die schüttere Brustbehaarung ihres Ex-Freundes ebenso für leichtfassliche Heiterkeit sorgen darf, wie ein schwuler Ferienclub-Animateur oder ein lebenshilfsbereiter Psychiater, dessen Weisheit in der therapeutischen Binse mündet, man solle sich selbst lieben : „Das habe ich versucht“, gesteht Händler, „aber meine Gefühle wurden nicht erwidert.”
Humoristische Gleitmittel, mit denen es den Händler’schen Autoren Uli Brée und Rupert Henning gelingt, ihr geschickt verschachteltes Werkl in Gang halten – damit es in den ernsteren Gefilden nicht schlapp macht. Denn ihr eigentliches Thema ist die Ungerechtigkeit: Von der göttlichen Unsportlichkeit, Adam und Eva einen Baum vor die Nase zu pflanzen, von dem sie nicht essen dürfen, bis zur unausgewogenen Güterverteilung auf Gottes Erden und der angeblich amerikanischen Tendenz, sich das Paradies im Diesseits auf Kosten anderer zu schaffen: „Die Rechnung geht an die Verlierer – und die Quittung kommt per Flugzeug.“
Da muss wohl verdorbenes Fallobst im Spiel gewesen sein. Anders geht sich das mit Andrea Händlers Fazit nicht aus: Nur wer der Versuchung widerstehe, vom Baum der Erkenntnis zu naschen, lebe womöglich glücklich bis in alle Ewigkeit – „aber dafür deppert und unbefriedigt. Dann schon lieber g‘scheit sterben“.
Ihre mehr mit pointierten Formulierungen und charakterkomischen Gestalten als mit „Wuchteln” durchsetzten Wechselbäder zwischen seicht und hintersinnig präsentiert Andrea Händler mit souveräner Bühnenpräsenz. Exakte Lichtwechsel und Geräuschkulissen-Zuspielungen sorgen für Tempo. Am überzeugendsten ist sie erstaunlicherweise dann, wenn sie in andere Figuren schlüpft. Und seien sie auch noch so überzeichnete Schablonen. Gut, dass sie zu dieser ihrer Stärke zurückgefunden hat. Denn kaum ist sie ganz sie selbst, melden sich leise Zweifel an der Glaubwüdigkeit an. Ausgerechnet da kommt ihr die Natürlichkeit gelegentlich abhanden, und es wird spürbar, dass ihr Fremd-Worte in den Mund gelegt werden. Trotzdem : Mit „Paradies“ gehen die sehenswerten Soloprogramme in Andrea Händlers Biographie mit 3:2 in Führung.
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