… Mutter sein dagegen sehr
„Was ist der Unterschied zwischen Sex und Weihnachten? Sex ist schöner – aber Weihnachten ist öfter.“
kabarett.at / 14. Oktober 2004
Es muss wohl etwas mit dem Alter der zur Zeit in der Kabarettszene aktiven KünstlerInnen zu tun haben, dass in den letzten fünf Wochen gleich drei neue Programme auf den Markt gekommen sind, in denen es um die Frage der Fortpflanzung und ihren Folgen geht. Ex-Postler und Kabarett-Newcomer Fredi Jirkal gibt sich in seinem Solo „Kinderwunsch“ alle Mühe, eine erfolgreiche Befruchtung zuwege zu bringen. „Heilbutt & Rosen“ verkörpern in ihrem alltagsatirischen Sitcom-Kabarett „Chromosomensatz XY ungelöst“ ein Pärchen vor, während und nach der Empfängnis. Und nun stellt sich auch Andrea Händler in „Einsendeschluss“ (Regie : Uli Brée) die alles entscheidende Frage, ob sie sich auf ihre mittelalterlichen Tage noch rasch, bevor es zu spät ist, einen Nachwüchsling zulegen oder ihre prachtvollen Gene lieber einfach aussterben lassen soll. So begibt sie sich denn auf eine fiktive Reise in die Zukunft, um dem Publikum und sich selbst die Konsequenzen einer Schwängerung vor Augen zu führen.
„Was mach ich, wenn das Kind schiach wird ? So ein lebendes Langos ?“
Der Trip wird für die Händler zu einem „fiktiven Jakobsweg durch die Abgründe der Mutterschaft“, der es ihr ermöglicht, ihre in den letzten Programmen vernachlässigte, größte Stärke wieder nachdrücklich zum Einsatz zu bringen : das fröhliche Figurenspiel. Mit komödiantischer Professionalität schlüpft sie in knapp ein Dutzend verschiedene Rollen. Ein flotter Reigen komischer Charaktere – von einem esoterischen Tiroler Mantelpavian über einen schwulen Gynäkologen, einen sabbernden Gutsbesitzer und eine amtsschimmelige Magistratsbeamtin bis hin zu peinlichen Prosecco-Trutschen. Auch ihr persönlicher Fee ist als Ratgeber wieder mit von der Partie. Darüberhinaus verkörpert sie sich selbst und ihren hypothetischen Nachwuchs namens Alpha in diversen Entwicklungsstadien. Und all das mit überschäumender Spielfreude.
Derer bedarf es auch, denn nur wenige Szenen wären überlebensfähig, wenn sie sich allein auf ihre humoristische Originalität verlassen müssten. Mit der u.a. als „Polly Adler“ (Kurier) und „Hot Bitch Melba“ (City) bekannten Journalistin Angelika Hager zeichnet erstmals eine Autorin für ein Solo von Andrea Händler verantwortlich. Das ist grundsätzlich sehr begrüßenswert, gibt es doch hierzulande mit Ausnahme von Eva D. oder Hilde Fehr kaum Frauen, die ganze Kabarettprogramme schreiben. Ihr gelegentlich gewitzter und respektloser Text flüchtet sich aber allzu oft in höchstens als Ersatzhumor zu kategorisierende halblustige Metaphern. Und dass mit der Phrase „Reich ins Heim“ sogar ausgerechnet ein zehn Jahre alter Titel eines „Brennessel“-Programms als Pointe herhalten muss, ist schlussendlich symptomatisch. Unabhängig davon, dass sie ihn nicht von dort, sondern aus einem noch älteren, eigenen Artikel entlehnt hat. Fairerweise sei festgehalten, dass es sich für die Autorin um ihr Kabarett-Debut handelt. Und in Anbetracht dessen ist das Programm dann doch eine bemerkenswerte Leistung, die auf Zukünftiges hoffen lässt.
„Man muss sie mögen, um ihre Programme zu mögen“, meinte ein Kollege seufzend nach der von vielen Promi-Lachern lautstark durchsetzten Premiere. Das trifft es ziemlich genau. Auch frühere Fans von Frau Händler, die womöglich mit den letzten Programmen weniger anfangen konnten, werden an der „alleinunterhaltenden Mutter“ in „Einsendeschluss“ wieder ihre Freude haben.
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