Volkstheater in der Kulisse
Der Standard 04/1995
Dass Männer angesichts oder eingedenk nackter Weiblichkeit bisweilen die Entwicklungsstufe des homo sapiens zugunsten primitiver Ausdrucksformen verlassen, ist nichts neues. Ebenso wenig, dass es in einer Peep-Show intensiver menschelt, als in anderen Dienstleistungsgewerben. Dass sich tatsächlich vom Startenor bis zum Fleischer alle von Zeit zu Zeit den eigenhändigen Seitensprung und den entsprechenden Obulus leisten, verwundert genauso wenig, wie der Umstand, dass sich auf den Drehscheiben der Hinterglas-Damen bisweilen auch Akademikerinnen ihr ständergemäßes Einkommen besorgen.
Aber in so lustvoll-komprimierter Form, wie im Solo-Kabarett-Debut „Diskret“ der Schlabarettistin Andrea Händler wird man es so bald nicht wieder vorgeführt bekommen. Das ist zeitgemäßes Volkstheater in der Tradition von Tschauner oder Löwinger – nur in jeder Hinsicht besser.
„Des Lebn is hoat – oba mei Oide haßt Herta!“
Andrea Händler ist in all ihren Rollen so überzeugend, dass es ihr sogar gelingt, plötzlich – inmitten des konstanten Lachpegels – mit der Figur der verzweifelt Verständnis heuchelnden Mutter, stille Rührung zu vermitteln, und Uli Brée, alleinverantwortlich für Text und Regie, bestätigt mit diesem runden Peep-Show-Projekt eindrucksvoll die Richtigkeit der These von den vielen Köchen.
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