Halbherzige Notstandshilfen
Der Standard 02/2000
Daß alles ganz anders werden würde, als bisher bei ihr üblich, hatte Andrea Händler bereits allenthalben verkündet. Eine Vorwarnung, die wohl paradoxerweise unter anderem dazu gedacht war, den sich aufdrängenden déja-vu-Vorwürfen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Doch so billig es auch ist, Vergleiche anzustellen, ganz dürfen sie ihr nicht erspart bleiben : Wer sein Solo mit den Worten “Das Programm heißt Notstand. Gibt’s Angebote ?” und Berichten von der eigenen verkorksten Geburt und Kindheit beginnt, muß damit rechnen, in ein schattiges Fahrwasser zu geraten. Da hilft auch der offenherzige Nachschlag “Ich habe mich diesmal sehr stark von Josef Hader beeinflussen lassen” nur wenig. Spätestens, wenn sie in ihren surrealen Tagträumen in die unverkennbare, treibende Erzählweise verfällt, wird die Schraube des Vordermanns zur unmittelbaren Bedrohung.
Zwischenzeitlich verirrt sie sich auch in andere Nachbarsgärten : Vitáseks “Stille” schimmert durch, und ihre slapstickhafte Illustration des Verhaltensleitfadens für aufrisswillige Singles erinnert frappant an den köstlichen “Erstkontakt-Knigge” des Duos “Bolzano & Maleh”.
Am bemerkenswertesten und entsprechend berechtigtsten ist Händler noch immer dann, wenn sie in die Rollen anderer schlüpft : wenn sie mit Hilfe ihrer darstellerischen Wandlungsfähigkeit Charaktere aufblättert. Dieses Potential läßt sie in “Notstand” vorsätzlich nur kurz aufblitzen. Lieber versucht sie sich diesmal am dezenteren Erzähl-Kabarett mit stand-up-Elementen und berührungsbetonten Songs. So begrüßenswert stilistische Weiterentwicklungsbestrebungen grundsätzlich auch sind, bisweilen fallen sie dann doch in die Lade “schmerzhaft und lehrreich”. Denn der ihr vom Autoren-Duo Brée/Henning geschriebene Text verfügt zwar über einige recht gewitzte Passagen, begnügt sich aber erstaunlicherweise mit den analytischen Ambitionen einer durchschnittlichen Vorabend-Soap : insgesamt irgendwie uninteressant. Dabei müsste doch gerade der “Notstand” einiges an verlockenden Abgründigkeiten zu bieten haben.
Also : Wenn schon alles anders, dann bitte nicht so halbherzig, daß sich die verwirrte Verfassung der nach haltbaren Notstandshilfen suchenden Frau letztendlich am deutlichsten in ihrem unsäglichen Designer-Glitzer-Gehrock manifestiert. Aber das ist natürlich Geschmackssache.
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