Das Ende des Monologs
Josef Hader – “Hader muss weg”
“Mein neues Programm hat mir noch viel besser gefallen, wie ich’s noch nicht geschrieben habe.”
kabarett.at / 9. Dezember 2004
Nur in der ersten Viertelstunde des neuen Programms verlässt sich Josef Hader ganz auf seine bewährte Stärke des Monologs. Aus der Künstlergarderobe hört man ihn schwadronieren und schimpfen. Das eher einseitig geführte Gespräch mit seinem Techniker dringt versehentlich an die Öffentlichkeit, weil zweiterer es verabsäumt hat, des Künstlers Mikro abzudrehen: Haders Erinnerungen an einen bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Freund, seine Ansichten über Alkohol, Darmkrebs und Skoda-Fahrer, sein heftiger Rundumschlag gegen das städtische Kabarettpublikum (“Weicheiwichser”), gegen die Kirche und die SPÖ (“grindige Vereine, in die keiner mit voll funktionsfähigem Hirn hineinkommt”), gegen sich selbst (“10 Jahre kein Programm schreiben, aber Eigentumswohnungen und Häuser kaufen” oder “Mein neues Programm hat mir noch viel besser gefallen, wie ich’s noch nicht geschrieben habe”), gegen die Kabarettszene im Allgemeinen (“verhurt, verlogen und selbstverliebt”) und die politischen Kabarettistten im Speziellen : “Aufblasbare Reserve-Christusse und Planschbecken-Tiefseetaucher, die jeden halbwegs Prominenten mit ihrem wässrigen Urin anbrunzen, wie inkontinente Zwergrattler.”
Ein Sprühregen aus Gift und Galle, der niemanden verschont. Doch kurz bevor er dazu kommen kann, seine Feinde namentlich zu nennen, ist es Zeit für die Vorstellung. Und dann wird alles ganz anders.
Denn das nun folgende Stück ist formal erwartungsgemäß eine Überraschung. Will heißen : es war damit zu rechnen, dass Hader nach 10 Jahren “Privat” und “Hader spielt Hader” etwas ganz Anderes machen würde. “Hader muss weg” kommt daher, wie ein Film. Wie eine spärlich ausgeleuchtete, aber umso engagierter gespielte low-budget-Produktion, in dessen Verlauf sich sieben weitgehend verpfuschte Lebenswege unter dramatischen, gewalttätigen und gelegentlich grotesken Umständen kreuzen. Ein liebloses Pärchen, ein psychopathischer Tankstellen-Inhaber, ein selbstgefälliger Bar-Pianist, eine Prostituierte und ihr Zuhälter – und ein Kabarettist namens Josef Hader, der beim Versuch, Ersatz-Batterien für sein überstrapaziertes Ansteck-Mikro zu kaufen, schon nach wenigen Minuten unvermittelt aus dem Leben scheidet. Weil Hader weg muss ? Im Gegenteil. Hader stirbt einen zufälligen, armseligen und völlig sinnlosen Tod. Ab diesem Moment ist er nur noch als übel zugerichtete Leiche im Spiel – und wird im Zuge der weiteren Handlung auch noch überrollt und geschändet. Viel skrupelloser lässt sich das eigene Ableben kaum inszenieren : als schmutzige Nebensächlichkeit. Nur das Geld, das er in der Tasche hat, spielt noch über seinen Tod hinaus eine entscheidende Rolle.
Hader wahrt in “Hader muss weg” nahezu die Einheit von Raum und Zeit. Die Handlung spielt sich im Verlauf eines Abends in einer wenig einladend wirkenden Nebenstrasse und den dort befindlichen Gewerbebetrieben ab. “Der Schauspieler hat während der Proben immer wieder sehr mit dem Autor gehadert”, hat Hader vorab in einem Interview über Hader gesagt, “weil er ihm ein kaum zu bewältigendes Stück geschrieben hat.” Es sind vor allem die dramatische Dichte, die verschiedenen Rollen und die häufigen Wechsel von überwältigender Heftigkeit, herzlicher Poesie und gewitzter Leichtigkeit, die dem Schauspieler Hader alles abverlangen.
Inhaltlich ist “Hader muss weg” ein Stück, das – sagen wir mal – nicht gerade von der Liebe zum Menschen getragen ist. Sympathieträger sucht man vergeblich. Hader kombiniert die sieben Einzelschicksale zu einem zwar wenig erfreulichen, aber in seiner Tragikomik fesselnden Sittenbild, das ganz ohne phantastische Ausflüge ins Irreale – wie die in “Privat” u.a. vorkommenden Reisen durch die Kanalisation oder ins eigene Gehirn – auskommt.
Ein – eigentlich überflüssig, es zu erwähnen – raffinierter, intelligenter und humoristisch hochwirksamer Text, in dem es immer wieder Bezugnahmen auf Details des vermeintlich wahllos zusammenassozierten Monologs aus der Garderobe gibt.
Groteske Züge bekommt die Handlung nicht nur durch die Häufung aberwitziger Zufälle, sondern auch dadurch, dass Hader – kaum merklich, weil nur stellenweise und dann nur ganz kurz – aus seinen Rollen aussteigt. Dann ist er wieder plötzlich nicht mehr vollinhaltlich die Figur, die er verkörpert, sondern der Erzähler, der eine Figur darstellt, sie etwas operettenhaft interpretiert. Unterbewusst schafft dieser raffinierte Kunstgriff Distanz zum Geschehen – und somit die Möglichkeit, den Wahnsinn in seiner ganzen Bandbreite zu überblicken. Ein an dieser Stelle längst fälliges 3-faches Hoch auf die Regisseurin Petra Dobetsberger.
Und was will uns Josef Hader mit “Hader muss weg” sagen ? Diese Frage lässt sich erfreulicherweise nicht so einfach beantworten. Nach der an Deutlichkeit nichts vermissen lassenden Einleitung präsentiert er uns kommentarlos eine in ihrer Schonungslosigkeit faszinierende Geschichte über Liebe und Tod, Geld und Betrug, Sehnsucht und Hoffnungslosigkeit. Möge sich jeder daraus mitnehmen, was ihn berührt oder betrifft. Nicht berührt oder betroffen zu sein, ist unmöglich.
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