Kopf des Tages: Josef Hader
Der Standard 11/1995
Die überparteiliche Organisation „SOS-Mitmensch“, die vor genau drei Jahren als Reaktion auf des FP-Volksbegehren „Österreich zuerst“ von Künstlern und Politikern gegründet wurde und antrat, um als eine „Allianz der Vernunft, die eine neue Politik möglich machen soll“ (Heller) für Gleichberechtigung & Menschenrechte und gegen Ausländerfeindlichkeit & Ausgrenzung zu kämpfen, wählt heute einen ihrer Aktivisten der ersten Stunde zu ihrem neuen Obmann: Den Kabarettisten Josef Hader.
Auf geradezu ideale Weise decken sich seine politischen Anliegen in Stil und Inhalt mit jenen von „SOS-Mitmensch“: Keine persönliche, namentliche Hatz, keine karikierende Verfremdung, sondern beschreibendes Aufzeigen in Form verständniserweckender Kausalketten. Über den simplen Politiker-Witz, der zumeist mehr als Mittel zum lächerlichen Zweck, denn als Ausdruck gesellschaftspolitischer Gesinnung in allerlei Kabarettprogrammen seine Niederschläge findet, war der ehemalige Melker Ministrant Josef Hader von Anfang an erhaben: Je unpolitischer seine Programme erschienen, umso größer wurde ihre Aussagekraft. So gesehen stellt sein Programm „Privat“, mit dem er sich derzeit anschickt, die potentielle Größe des gehobenen Kabarettpublikums neu auszuloten, den Höhepunkt seines politischen Engagements dar: reduziert und konzentriert auf seine Lebensgeschichte, deren scheinbare Wahrheiten oft näher an der Lüge und scheinbare Lügen näher an der Wahrheit sind, als man vermuten könnte. Eine eben nur scheinbar von Affektlogik gesteuerte Traumreise durch das Hader’sche Unterbewusstsein, die den Zuhörer – völlig unvermutet und daher umso wirkungsvoller – mit der Mit-Verantwortung am Elend der dritten Welt allein lässt. Das ist – neben seinem bescheidenen Auftreten und seinem Gespür für Komik inmitten von Tragik – die nachhaltigste Methode, mit der der 33-jährige gebürtige Nöchlinger (Waldviertel) Mitte der 80’er Jahre mit Programmen wie „Biagn oder Brechen“ oder „Bunter Abend“ seinen gebührenden Platz an der Spitze der österreichischen Kabarettszene einnahm. Eine Unzahl von Preisen und Auszeichnungen pflastern seinen Weg: darunter u.a. der Salzburger Stier, der Deutsche Kleinkunstpreis und der Thomas-Pluch-Drehbuch-Preis für den von ihm, Alfred Dorfer und Paul Harather (Regie) verfassten Film „Indien“, mit dem er im Vorjahr auch in Deutschland über die Grenzen der Kleinkunst-Bühnen hinaus bekannt wurde.
Geändert hat das an seinem Leben freilich weniger als z.B. die Geburt seines Sohnes Florian, dem der unwiderstehliche väterliche Schalk schon mit zwei Jahren ganz gehörig im Nacken sitzt. Er und seine Lebensgefährtin, die Schauspielerin und Regisseurin Petra Dobetsberger, mit denen er in einer geräumigen Wohnung in Wien-Ottakring lebt, werden denn wohl auch – neben den politischen Gegnern – die einzigen Leidtragenden der künftigen Mehrbelastung des Josef Hader sein. Doch nicht für immer, denn „politisches Engagement von Künstlern funktioniert immer nur kurzzeitig. Dann müssen sie wieder künstlerisch tätig werden, sonst verlieren sie die notwendige öffentliche Relevanz.“
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