Angewandte Philosophie für Fortgeschrittene
Der Standard 09/1998
Wer darauf besteht, dass der Erwerb einer Eintrittskarte für ein Kabarett die Vorführung einer möglichst dichten Abfolge leichtfasslicher Lachauslöser – andernorts gern als die furchteinflößende Naturgewalt „Pointenhagel“ umschrieben – zu beinhalten habe, der ist zwar nicht unbedingt ein schlechterer Mensch, aber wahrscheinlich derzeit nirgendwo fehler am Platz, als in der Kulisse. Denn war es Günther „Gunkl“ Paal vor vier Jahren noch ein Anliegen zu betonen, sein seinerzeitiges Debut-Programm verfüge über eine „Kette mehrheitsfähiger Wuchteln“, so hat er sich inzwischen zunehmend der Schöpfung faszinierender Kleinkunstwerke zugewandt, für die das Praefix „Klein“ nur noch insofern zutreffend ist, als dass sie von einer Person mit minimalem Bühnen-Brimborium zur Aufführung gebracht werden. Zu dem, was landläufig unter dem Begriff Kabarett-Programm verstanden wird, unterhält sein neues Solo, das er am Dienstag präsentierte, nur noch stellenweise Naheverhältnisse. Daher trägt es konsequenterweise auch keinen Programm-Titel mehr.
Mit Ausnahme der schlicht spaßigen Karikatur eines gesprächigen Kellners und einiger recht beachtlicher Schüttelreime, besteht es größtenteils aus scheinbar paradoxen Virtualitäten und humoristisch angewandter Philosophie: Fiktion und Realität tauschen übermütig ihre Tarnkappen, Ewigkeit und Nichts fallen fröhlich in sich zusammen. Denn im Grunde genommen ist nichts absurder als „Die unendliche Geschichte, Teil 2“ – und „die Heimat“ vor allem jener Platz, „an dem man die Angeschütteten am geschwindesten erkennt“.
Bei Paal paaren sich tiefe Einsichten mit derart geistreichem Witz, dass sie ein staunendes Schmunzeln nach dem anderen erzeugen. Und das alles mit einer Sprache, derer die Meisten nicht einmal schriftlich mächtig sind, und die daher in derart flüssiger Form – als Transportmedium für Unterhaltung – eine Kunst für sich ist. Paals beachtlichste Leistung aber liegt darin, dass er mit diesen erlesenen Zutaten mitnichten nur für verhaltene Freude in Elfenbeintürmen, sondern auch – und vor allem – für nachhaltige Begeisterung bei zuhörwilligen Kabarett-Konsumenten sorgt. Fazit: Die erste Pflichtveranstaltung des Semesters.
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