entweder oder ohne wenn und aber
„Über Anfänge und alles, was nicht eins ist“: Astrophysiker Harald Lesch und Kabarettist Gunkl räumen Möglichkeiten und Irrtümer ein und aus.
kabarett.at 01/2011
In der Jahrhunderte lang dünn besiedelten Schnittmenge von Naturwissenschaft und Humor herrscht seit einiger Zeit vergleichsweise Gedränge. Zählen in Deutschland Vince Ebert oder Eckart von Hirschhausen zu jenen, die sich dem kabarettistischen Sachkundeunterricht verschrieben haben, sind als heimische Vertreter dieser Fusion vor allem Martin Puntigams „Science Busters“ und Günter „Gunkl“ Paal zu nennen.
„Es besteht natürlich die Gefahr, dass es ein Trend sein könnte, der wie Glockenhosen auch wieder verschwindet“, meint Gunkl, „In Bezug auf Harald Lesch und mich sehe ich diese Gefahr aber nicht. Weil es uns ja nicht darum geht, damit Erfolg zu haben oder Geld zu verdienen. Es interessiert uns ja wirklich.“
Über die Fundamente des Soseins muss sich der Erdenbürger ja dankenswerterweise nicht ständig Gedanken machen. Mit Gravitation und Zentrifugalkraft lernt er rasch und schlimmstenfalls schmerzhaft, zurecht zu kommen. Um zu wissen, dass es in einer Stunde später ist als jetzt und es durch Licht heller wird, bedarf es keinerlei Wissen über die Entstehung und die Bauteile des Universums. „Dennoch kann einem das zu denken geben“, sagt Gunkl, „ … wenn man darüber nachdenken will.“
Gunkl will. Und das – in seinem Fall naturgemäß : „Ich bin ja generell ziemlich empfindungs-taub“ – weitgehend bereinigt von Wahrnehmungs- und Wirkungs-Unschärfen.
Worum es geht ? Um die Kraft der Logik und die Kunst des „Aber“. Zum Beispiel. Also einerseits die Logik als widerspruchsfreie, universelle Währung zum Erwerb von Wissen über das Wie und Warum der Welt. Ohne wenn und aber. Dafür mit entweder oder. Und andererseits das „Aber“ – als flankierende Fähigkeit des Menschen beim Begreifen und Relativieren. Vier Buchstaben, die die Reinheit der Logik mit der Welt, wie sie nun mal ist, bei Bedarf versöhnen.
Ausgestattet mit diesen Werkzeugen beschäftigen sich Gunkl und Lesch dann auch mit Konkreterem : mit den Grenzen der Mathematik oder der Wahrscheinlichkeit extraterrestrischen Lebens – und damit, was sich der Mensch gegebenenfalls davon erwarten darf, von Außerirdischen entdeckt zu werden. „Schon die Geschichte der Menschheit zeigt uns recht plastisch, dass es einen großen Unterschied macht, ob Du Entdecker bist – oder Entdeckter“, warnt Gunkl, „Der Entdeckte hat immer die Arschkarte.“
Auch Harald Lesch dämpft allzu große Erwartungen : „Schlussendlich ist der Außerirdische auch nur ein Mensch“. Das Universum habe nämlich nur einen Baukasten : das Periodensystem der Elemente. Und mit dem verhält es sich, wie mit einer Briefmarkensammlung der DDR : „Da kommt nichts mehr dazu.“
Natürlich ist es auch der Boom der Pseudo-Wissenschaften, der Gunkl und Lesch in ihrem aufklärerischen Eifer antreibt. Auf den Kleinkunstbühne, in den Hörsälen und im Fernsehen, wo Harald Lesch die Sendereihen „Abenteuer Forschung“ (ZDF) und „Leschs Kosmos“ (ZDF-neo) moderiert. Wobei sie sich gar nicht erst die Mühe machen, sich nach esoterisch-folkloristischen Modeerscheinungen zu bücken. Das wäre ihnen zu tief. Wenn schon, dann gleich die Astrologie – und die vermeintliche Wirkung der Gestirne in jenem Moment, da das Licht der Welt erblickt wird. Lesch lakonisch : „Bei der Geburt hat das Gewicht der Hebamme eine entscheidendere gravitative Wechselwirkung auf das Neugeborene als alle Sterne zusammen.“
Dass Physikern gelegentlich ein gewisser Hauch von Chauvinismus umweht, will Lesch gar nicht bestreiten: „In punkto Glaube an die Überlegenheit der eigenen Gruppe sind wir ganz gut im Rennen.“
Das muss wohl auch so sein bei analytischen Menschen, die es sich zur Aufgabe machen, die Welt mit einem möglichst unverstellten Blick auf die Faktenlage zu erschließen und zugänglich zu machen. Mittels unmissverständlicher Wegweiser in Richtung „wahr“ oder „falsch“. Doch selbst in diesem Binärsystem schlummern bei philosophischer Betrachtung schwankende Meta-Ebenen.
„Eine Aussage kann nicht gleichzeitig wahr und falsch sein“, erklärte einst Gottfried Leibniz. Sollte sich diese Aussage nun – zugegebenermaßen wider Erwarten – als falsch herausstellen, kann sie folgerichtig und zwangsläufig immer noch wahr sein. Weil es ja dann nicht stimmt, dass eine Aussage gleichzeitig wahr und falsch sein kann. Erklärte jüngst Günter Paal. „Mit derartigen Logistereien kommt man bald in Gefilde, in denen keine bündigen Aussagen mehr möglich sind. Aussagen, die zwar nominal nicht widerlegbar sind, aber trotzdem nichts heißen. Auf Meta-Ebenen muss man also sehr aufpassen, dass man sich nicht kompliziert und großkalibrig in den eigenen Ofen schießt.“
- 04.02.2011 | 20:00h | Radiokulturhaus | 1040 Wien, Argentinierstraße 30a
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