Ei mit Hirn
In seinem bereits 10. Soloprogramm wird bei Gunkl einmal mehr umfassendes Wissen zu wegweisenden Weisheiten. Und das dermaßen geschliffen und gewitzt, dass es wie üblich eine Faszination und Freude ist, ihm dabei zuzuhören.
kabarett.at 09/2011
Leicht hat es die Menschheit nicht. Aber der Mensch hätte es gar nicht so schwer. Um somit das A und O von Gunkls zehntem Solo mal vorwegzunehmen. Sein vielleicht umfassend humanistischstes bisher. Fast eine Zusammenfassung all seiner bisherigen Programmen, verdichtet zu einem moralischen Konzentrat auf beschlagener Basis. Wegweisend aber zeigefingerfrei. Wie man leben soll. Oder zumindest : Wie man leben könnte, wenn man wollte.
Bei Gunkl wird Wissen zu Weisheit. Und das dank seiner geschliffenen Formulierungen, gewitzten Metaphern und raffinierten Erkenntnissprünge dermaßen kurzweilig und faszinierend, dass es wie immer eine unvergleichliche Freude ist, ihm dabei zuzuhören.
Wer besonders absurde, an den Haaren herbeigezogene Argumente als „von tief hinterm Horizont der Vernunft am Rosettenpelz hervorgezerrt“ zu umschreiben vermag, hat die Zuhörer auf seiner Seite. Außerdem hat Gunkl die Überflugrechte für Kalau erworben und erlaubt sich zwischenzeitlich ein paar Lustigkeiten mit Fremdworten.
Worum handelt es sich nun bei den von Gunkl als ausführlichen solidarisierenden Prolog verwendeten „großen Kränkungen der Menschheit“ ? Dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist. Damit können die meisten inzwischen ganz gut leben. Sogar die Kirche. Dass der Mensch nicht die Krone der Schöpfung ist. Da gibt’s bestimmt schon einige, die das persönlich nehmen. Aber damit noch nicht genug. Gunkl führt auch detailliert aus, dass es nicht einmal mit unserem freien Willen weit her ist. Und unsere vermeintlich ach-so-menschliche Fähigkeit zu Mitgefühl ist auch nur ein reizgetriggerter Reflex. Menschen, denen dieser Reflex fehlt, nennt man Soziopathen – und werden vorzugsweise Führungskräfte. Danke für die Erwähnung dieser aufschlussreichen wissenschaftlichen Studie.
Als wirklich etwas kränkend empfindet Gunkl höchstens den Nachweis, dass sich im Lauf der Evolution nicht etwa das besser bestückte Gehirn durchgesetzt hat, sondern die leistungsstärkeren Sexualorgane. Es ist zwar das gleiche Gen, das für größere sexuelle und intellektuelle Potenz sorgt, die grauen Zellen gibt’s aber eigentlich nur als Gratis-Draufgabe zu den dickeren Eiern.
Unerbittlich wird Gunkl, wenn er auf das Thema Religion zu sprechen kommt. Das war bereits zuletzt in „Wir – schwierig“ in seiner grandiosen Tirade gegen das „Intelligent Design“ so – und ist in seinem aktuellen Programm nicht anders. Da quillt dann durchaus das eine oder andere Quäntchen Wut durch die Maschen seiner sachlich eng gestrickten Argumentationsketten.
Was ist denn das für ein Monotheismus, der in seinem ersten Gebot festhalten muss, dass es verboten ist, andere Götter neben dem einen zu haben ? Das impliziert ja geradezu deren Existenz. Und wenn nicht, dann sei es ungefähr so sinnvoll, meint Gunkl, wie „Du sollst kein drittes Knie haben“.
Überhaupt röchen die heiligen Schriften schwer nach Prostata-Beschwerden. Allein schon, was die allerorts verankerte untergeordnete Rolle der Frau betrifft. Sogar in Kärnten würde jedem noch so unwichtigen Trachtenverein die Existenzberechtigung verweigert, der in seinen Statuten auch nur annähernd so hanebüchene und überholte Ansichten verankern wolle, wie sie in der Bibel stehen. Warum nicht einfach dem aktuellen Stand der Aufklärung anpassen, statt sich ständig mit „das ist nur symbolisch gemeint“ und „es kommt auf die Auslegung an“ aus der Affäre zu ziehen zu versuchen ?
Und wozu das Ganze überhaupt ? Marienerscheinungen sind schließlich auch nichts anderes als UFO-Landungen. Wer’s glaubt, wird selig. Zumindest unter Seinesgleichen. Und wie lange ? Ja, beim Teutates, was ist denn beispielsweise aus der germanischen Götterwelt geworden ? „Alle Götter sterben mit den Völkern aus, die an sie glauben.“ Und sind dann für spätere Generationen höchstens noch nüchterne Studienobjekte wie die Schnurkeramik oder Koprolithe aus dem Ordovizium. Und das trotz ihres seinerzeitigen Anspruchs auf ewige Gültigkeit.
Lassen wir doch die Ewigkeit bitte mal beiseite. Führt doch zu nichts, unser irdisches Dasein als verzweifelten Versuch, Vorverkaufskarten fürs Jenseits abzustottern oder „als Probetraining für Atletico Andacht“ zu verstehen. Ums hier und heute geht es. Und ums übermorgen. Und da hat der Mensch, jeder einzelne, die Möglichkeit, Zustände zu verbessern. Indem er etwas schlauer ist, als die Evolution oder die Natur, die ihre Sache immer nur gerade so gut macht, wie sie gerade sein muss. Der Mensch kann mehr. Er kann nämlich Sachen etwas besser machen, als sie unbedingt sein müssen. Und das wäre dann zutiefst menschlich.
„Diese Möglichkeit“, meint Gunkl abschließend, „sollten wir nicht schwänzen !“ Um mit der unpassendsten Redewendung zu enden : Sein Wort in Gottes Ohr.
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