Quasimetasprachlich
Der Standard 01/1995
Sein Aufstieg in das Spitzenfeld heimischen Humorschaffens verlief kometenhaft. Seine Verpflichtung als „Kunststücke“-Moderator kam überraschend. Sein neues Solo heißt : „Ich muss mich jetzt genug konzentrieren, damit ich diese quasimetasprachliche Geschichte halbwegs glaubwürdig und nachvollziehbar auf die Bühne stell‘ – Ein irrsinnig kompliziertes Programm“. Ein klärendes Gespräch mit Günther „Gunkl“ Paal führte Peter Blau.
Als Kabarettist hast Du nicht ganz zu unrecht den Ruf, ein Freund eher komplizierter, abgehobener Programme zu sein. Nun bist Du seit kurzem auch noch Präsentator der „Kunststücke“ im ORF, ein Job, den seit je her eine Aura des Durchgeistigten umweht. Fühlst Du dich wohl in der elfenbeinernen Ecke des Intellektualismus?
Grundsätzlich ja. Aber es muss keineswegs immer der Elfenbeinturm sein, wo ich meine Zelte aufschlage und meinen Meldezettel ausstellen lasse. Meine Position im Leben heißt „auf Distanz“. Ich habe immer gerne den Überblick und den hat man nun einmal am ehesten aus der Distanz. Ich sehe mich als Kommentator und Beobachter.
Den besten Überblick hat man logischerweise von möglichst weit oben. Impliziert diese Position nicht auch eine gewisse Arroganz der Umwelt gegenüber, ein „von-oben-herab“?
Das trachte ich zu vermeiden. Denn genau darin sehe ich eine große Gefahr: Dass man irgendwann anfängt herumzug’scheiteln und ohne Bezug zur eigentlichen Wirklichkeit auf der Wucht der eigenen knackigen Formulierungen bekenntnisfrei dahinsurft. Ich schau‘ immer, dass ich auch nicht den ‹ber-blick darüber verliere, wo ich herkomme. Dass ich nicht nur die Hintergründe, sondern auch die tatsächlich stattfindende Welt in meine Überlegungen miteinbeziehe. Also nicht nur das Warum, sondern auch das Was.
Mit anderen Worten : Trotz der erhabenen Position den Kontakt mit dem Boden nicht zu verlieren ?
Das kann man so sagen. Ich bin also mein eigenes Basislager. Zumindest versuch ich das.
Wie beurteilst Du Deine neue Funktion als Präsentator der „Kunststücke“ ?
Als Moderator sollte man ein moderater Mensch sein, als Präsentator sollte man das, was man präsentiert auch vertreten können – und so sehe ich auch meine Rolle: Ich habe eine Verpflichtung den zu präsentierenden Werken anderer Künstler gegenüber.
Ohne Dich selbst oder Deinen Geschmack zu verleugnen ?
Ja, das geht. Wenn ich mich bei irgendetwas überhaupt nicht auskenne, dann schau‘ ich, dass ich die Ästhetik des Werkes in das Gefüge der von mir beobachteten Welt stelle und auf diesem Wege Bezüge herstelle.
Ist das schon vorgekommen?
Noch nicht. Aber für Videokunst wäre ich zum Beispiel ein sehr unglücklich gewählter Präsentator. Das sieht für mich immer so aus, als hätte man dem Mock eine Helmkamera aufgesetzt und irgendwo hineingeschickt: es ist unscharf, verwackelt, der Ton erinnert an Kabelbrand – und das Ganze dauert sieben Minuten. Sieben Minuten, in denen man absolut nichts sieht. Aber am Ende kommt ein zweieinhalbminütiger Schlussroller, als ob sie Ben Hur gedreht hätten.
Hat Dich der Ruf auf den Küniglberg eigentlich überrascht ?
Schon eher. Weil der Präsentator ja ein ganz eigener Beruf ist: Gottschalk ist der beste Präsentator deutscher Zunge, aber ein derartig krückenschlechter Schauspieler, dass ich die Winde krieg‘. Daher ist es auch nicht zwingend anzunehmen, wenn jemand als Kabarettist Erfolg hat, dass er auch gleich die „Kunststücke“ moderieren kann. Das habe ich vorweg gleich zu bedenken gegeben – aber die Probeaufnahmen sind dann überraschenderweise zur Zufriedenheit aller ausgefallen.
Dein neues Programm hat abermals einen Namen, der von keiner Programmzeit-schrift in voller Länge wird abgedruckt werden können. Hast Du nicht das Gefühl, diesen Gag bereits mit zwei ellenlangen Programmtiteln überstrapaziert zu haben?
Dass dieses Programm wieder einen so langen Titel hat, kommt daher, dass er ja im letzten Programm „Das Beste aus den nächsten sechs Programmen mit Ausnahme des Fünften“ bereits angekündigt wurde. Ich halte das daher für eine sinnvolle Weiterführung.
Die Idee mit den langen Titeln selbst finde ich auch deshalb noch immer ganz lustig, weil sie einen hohen Aufmerksamkeitseffekt haben. Man merkt sich zwar nicht den Titel, aber man merkt sich: das ist der mit den langen Titeln. Sich auf diese Art und Weise in Erinnerung zu setzen halte ich für interessanter als dadurch, das man jedes Mal einen Zimmerwasserfall auf der Bühne aufbaut. Außerdem liebe ich es, Kuckuckseier zu legen, bei denen sich jeder fragt: Was ist das jetzt schon wieder ?
Eine gewisse Neigung dazu, Verwirrung zu stiften, ist Dir nicht abzusprechen.
Daran kann ich sogar großen Gefallen finden. Ich habe z.B. einmal von einem Lufthansa-Menü einen Kaffeelöffel mitgehen lassen, und allein die Vorstellung, dass ich diesen auf einem Flug mit „Sultan-Air“ oder so ähnlich auf das Tablett lege und dass es dann irgendwo einen Tellerwäscher gibt, der beim Anblick des Löffels die Welt nicht mehr versteht, bereitet mir großes Vergnügen. Auf so etwas steh‘ ich.
Der ersten Presse-Aussendung Deiner Agentur folgte nach nur 30 Minuten eine zweite mit einer Korrektur des Titels: statt „quasi metasprachlich“ müsse es „quasimetasprachlich“ heißen. Eine gewisse Pedanterie ist Dir auch zueigen.
In Bezug auf meine Arbeit absolut. Da bin ich ganz streng und rigide. In gewissem Sinn sehe ich mich als Jongleur: der kann seine Keulen auch nicht einfach ungefähr irgendwohin schupfen, sondern er muss genau wissen, wann sie wo wieder herunterkommen. Und in der Zwischenzeit muss er mit seiner Hand dorthin gelangen können, weil dieses Prinzip ja einen ganzen Abend lang halten muss.
Ich schau ja immer, dass ich mit einem Mindestmaß an Voraussetzungen ein Höchstmaß an Komplexität erziele. Um aber da noch die Kontrolle zu behalten, müssen diese Mindestvoraussetzungen einfach fix sein. Es geht ja eh immer etwas verloren, weil die Weitergabe von Berichten immer auch etwas abrasives hat. Wenn aber „quasimetasprachlich“ von vorne herein schon nicht in einem Wort geschrieben wird, besteht die berechtigte Sorge, dass schon bald irgendjemand glaubt es handle sich um eine Hommage an Qualtinger – und „Quasi“ groß schreibt. Und der Sinn entrinnt.
Dein neues Solo heißt im Ganzen „Ich muss mich jetzt genug konzentrieren, damit ich diese quasimetasprachliche Geschichte halbwegs glaubwürdig und nachvollziehbar auf die Bühne stell'“, Untertitel „Ein irrsinnig kompliziertes Programm“. Warum ?
Nun, es ist tatsächlich quasimetasprachlich, es wird auch wirklich einige Konzentration erfordern, es glaubwürdig und nachvollziehbar auf die Bühne zu stellen, und es ist wirklich irrsinnig kompliziert. Die Konstruktionsgrundlage ist eine abendfüllende Iteration, die dann überraschenderweise Metaphern-Charakter bekommt. Anders gesagt: Mit ein Thema des Abends ist der Umstand, dass ich auf einer Bühne stehe und etwas erzählen werde. Der momentan stattfindende Abend ist also Thema seiner selbst. Auch die Verformbarkeit von Zeit auf einer Bühne wird ein stellenweise handlungstragendes Element sein. Das klingt alles sehr abstrakt, nicht wahr?
Was nicht wirklich überrascht …
Ein Bericht über Metasprache ist zwangsläufig ein bisschen sehr weit weg vom Eigentlichen.
Danke für das Gespräch.
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