„Des traust di nie!“
Der Standard 10/1994
Er hat rote Haare, abstehende Ohren und trägt die Brille nur, um seiner Mutter seinerzeit die Orientierung beim Wickeln zu erleichtern. Sein Faible für verbale Kommunikation war das logische Resultat seiner Kindheit in Favoriten: einem Ambiente, das trotz der ausklingenden 60’er wenig mit Love & Peace im Sinn hatte. Günther Paal, der als Musiker von Alfred Dorfer und der Gruppe „Wiener Wunder“ und als Kellner im „Roten Engel“ bereits zu Ruhm und Reichtum gelangt ist, feierte am Freitag in der Kulisse sein Kabarett-Debut – und ein Fest der deutschen Sprache. „Grundsätzliche Betrachtungen – anschaulich gemacht an kuriosen Einzelleistungen der Tücke des Alltags, was als Programmtitel vermutlich ein bisschen zu lang ist, zumal darin eine, sei’n wir ‚mal ehrlich, sehr unelegante Genetivkette enthalten ist“ – ist der Titel seines Programms, in dem keine Silbe der Verlegenheit entspringt, kein Wort den Test in der Waagschale sprachlicher Brillanz verweigern müsste und jeder Satz einer eingehenden Prüfung auf syntaktisches Herz und semantische Niere bravourös standhielte. Er sei kein schmallippiger Prophet, beruhigt Paal zu Beginn, der seinem Publikum als „Gralshüter höherer Einsichten und tieferer Wahrheiten das knatternde Banner der Wahrhaftigkeit um die Ohren hauen“ würde. Es ginge viel mehr um Zahnprobleme, um Gott, aber auch um Tröstung. Mit Hilfe zweier von ihm geschaffener Figuren, die sich intensiv mit den ob ihrer Fiktionalität unvermeidlichen Beschränkungen auseinandersetzen, schwingt sich Günther Paal an eine Kette durchaus mehrheitsfähiger Wuchteln – wie er sie nennen würde – aus den Niederungen innenpolitischer Unglaublichkeiten bis zum Schöpfungsplan – und der bewegenden Vorstellung, dem himmlischen Ausstattungs-Team bei der gruppendynamisch reizvollen Erschaffung des Schnabeltiers angehört zu haben: „Des traust di nie!“
Faszinierend komplizierte Kaskaden und ästhetisch raffinierte Formulierungen, mit deren Hilfe selbst die profane Reanimation des Genitivs zu einem geistreichen Genuss gedeiht, erzeugen einen konstanten Pegel glückseligen Glucksens – der die unterschiedlichen Leitungs-Längen zwischen Ohr und Kleinhirn anhörlich demonstriert. „Grundsätzliche Betrachtungen“ ist ein Kabinettstück Kleinkunst, das trotz seiner resignativ-pessimistischen Tendenz durch seine fabulöse Form und seine grotesken Inhalte Freude und Trost spendet. „Gunkl“ wirft 90 Minuten lang dermaßen mit rhetorischen Perlen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch seinen Hut diverse Kabarettpreise zieren werden. Grundsätzlich betrachtet sind das aber Nebensächlichkeiten, heißen doch die drei ewigen Fragen der Menschheit nicht mehr „Wer sind wir?“, „Woher kommen wir?“ und „Wohin gehen wir?“, sondern „Wos haßt des jetzt?“, „Wie kumm i dazua?“ und „Na, wos host glaubt?“
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