Gustafs Erben
Der Standard 05/2000
Ein wenig wirkte es so, als wären für die insgesamt 35 – in sieben Kategorien nominierten – Kandidaten für die am Samstag erstmals verliehenen “Gustaf-Gründgens-Preise” im Parkett der “Casanova”-Bar sicherheitshalber Sitzplätze freigehalten worden. Hätte ja sein können, dass sie persönlich erscheinen, um an der festlichen Gala teilzuhaben und – gegebenenfalls – die Siegespreise in Form von Schokoladetorten mit nach hause nehmen zu können. Doch nein, Charakterstärke zählte nicht zu den Vergabekriterien der von den Organisatoren des Festivals “Wien ist andersrum” erdachten “Gustafs”. Im Gegenteil : Als preiswürdig wurde erachtet, wer in den letzten Monaten durch ”kulturpolitische Kollaboration und besondere Anpassungsfähigkeit gegenüber dem neuen politischen Klima in Österreich” auffällig geworden war.
So führte denn der seine deutliche Gewichtsreduktion mit Ausstopfungen kaschierende Moderator Hermes Phettberg mit gewohnt scharfsinnigen Gedankensprüngen durch einen konzeptionsimmanent tragikomischen und galgenhumorigen Abend.
And the winners are …
Ausgezeichnet wurden in der Kategorie “Innerste Immigration” Hugo Portisch; für “Hofberichterstattung” die Chefredaktion der “Presse”; für “Passive Kollabarotion” ORF-Intendant Gerhard Weis; als “Erfolgreichster Krisengewinnler” Hubert ”Adolf” Kramer; für “Aktive Kollaboration” das “Historische Museum der Stadt Wien”, das die Jury mit einer Ausstellung auf Elisabeth Sickls Schloß Albeck auf sich aufmerksam gemacht hatte; für die “Peinlichste Form des Widerstands” die Schauspielerin Marie Colbin – für ihre Fotoserie ”Lachen gegen schwarz-blau”; und in der Hauptpreis-Kategorie “Größter Wendehals” Kulturstaatssekretär Franz Morak, den Preisüberreicher Jörg Haider (verkörpert von Florian Scheuba) freudig an die gemeinsamen Wurzeln in der “neuen deutschen Welle” erinnerte. Das optimistische Finale sangen Susanne Rader (als Marlene Dietrich) und Markus Richter : ”Das gibt’s nur einmal, das kommt nie wieder”.
0 comments on Gustafs Erben