Lassen sie mich durch, ich bin Komiker!
kabarett.at 11/2007
Groebner singt wieder! Das wurde aber auch Zeit. Jemand, der über eine derartig saalsättigende Stimme und ohrwurmige Melodiösität verfügt, hat ja geradezu die moralische Verpflichtung, diese Qualitäten in sehr regelmäßigen Abständen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
In sein neues Soloprogramm mit dem trotz seiner Sperrigkeit recht verlockenden Titel „So gibt man dem Leben seinen Sinn“ hat er immerhin acht neue Lieder hinein gewoben. Von jazzigen Balladen über Glück und Ende über einen heftig gestampften Unterschicht-Rap und ein gewalzertes Chanson für die Ewigkeit bis hin zum beherzten Liebeslied. Die geflügelten Begleitungen kommen zwar aus der Konserve, sind aber durchwegs kongeniale Meisterstücke: kein Ton zu viel! Das ist die höchste Kunst der Harmonie.
Als Zielgruppe hat sich der vor einigen Jahren nach Deutschland expatriierte Wiener Severin Groebner („Heimat ist die Gegend, die mit zunehmender Entfernung immer schöner wird.“) diesmal die in stetigem Wachsen begriffene Bevölkerungsgruppe der „Hoffnungslosen und Sinnentleerten“ gewählt. Sehr geschickt. Ein Programm für alle, die unter Depressionen leiden oder auch in Zukunft mit ihnen nichts zu tun haben wollen. Das dürfte mehrheitsfähig sein.
Die Beerdigung seines Opas ist ihm Anlass für eine kurzfristige Heimkehr. Nicht nur nach Wien, sondern auch zu jenen Menschen, die man sich nicht aussuchen kann: den Verwandten. Groebner präsentiert sie am Grab in Form einer Typenparade von Zimmerschied’schem Zuschnitt. Den ewig bekifften Cousin Charly, die extremistische Tante Theresa („Für Tante Terror ist H.C. Strache eine linke Bazille!“), die bulimische Nichte, den hyperjovialen Onkel Jörg, die alkoholische Tante Daphne usw. Bei der Auswahl der Angehörigen bleibt Groebner interessanterweise dem Disney-Prinzip treu: Eltern werden nicht erwähnt. Insgesamt verkörpert er aber im Verlauf des Stücks schätzungsweise 17 verschiedene Figuren – und das mit abwechslungsreicher Akkuratesse. Darunter auch einen für Schmeicheleien schwer anfälligen Wanderrucksack. Aber dessen lebensrettende Rolle zu erklären, würde jetzt zu weit führen.
Gespickt ist Groebners – ab der Pause schlagartig ins Surreale abhebende – Bestattungs-Story mit allerlei scharfsinnigen Abschweifungen. Da gibt es u.a. eine evolutionäre Voting-Show, in der Tiere und Pflanzen, die sich nicht gut präsentieren können, aussterben müssen. Oder eine Analyse des nur in der deutschen Sprache vorhandenen Begriffs Gemütlichkeit: alle Anwesenden sind satt, angetrunken – und einer Meinung. Und warum gibt es in Japan ein Wort für Frauen, die nur von hinten schön ausschauen – und bei uns nicht? „Das wichtigste im Leben sind die Fragen“, konstatiert er, „nur Trottel wollen Antworten.“
Ergo: Es ist wie immer eine Wohltat, einem Künstler wie Severin Groebner bei der Arbeit zuschauen zu dürfen.
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