Ein Strich in der Erdbeerlandschaft
Der Standard 11/2000
Wenn Severin Groebner tief Luft holt, macht seine linke Nüster unwillkürlich dicht : Er zwinkert gewissermaßen mit seinen Nasenlöchern. Eine bezeichnende Randerscheinung in seinem fabulösen “Salon des Illusions”. Einem Ort, an dem alles möglich ist : wo Ameisen wahlweise zertanzt werden oder dem Fuchs eine Klimaanlage einbauen, wo sich unpolitische Korrektheit im Joghurt-Regal austobt, wo Max Mustermann nach staatlicher Überwachung lechzt, wo “der lustigste Geschlechtsverkehr der Welt” in einem körpersaftigen Bild des Jammers mündet und Vodka zu Kartoffeln wird. “Es wird nichts erklärt”, sagt Groebner vor seiner Entdeckungsreise in die Imagination. Wozu auch ? Das Publikum hat ja keine Ahnung von Humor. Sagt’s – und knallt sich demonstrativ Torten ins Gesicht. Die Realität solle sich doch angesichts des gesteigerten, umnebelnden TV- und Drogen-Konsums selbst überlegen, warum so wenige Menschen mit ihr etwas zu tun haben wollen.
Der markante Strich in der Kabarettlandschaft, der da abseits ausgetretener Pfade in den horizonterweiternden “strawberry fields” der Kleinkunst hochwertige Spässe erntet, ist in seinem neuen, zweiten Soloprogramm tatsächlich “Jetzt noch Groebner” : irrwitzige Geistesfrüchtchen und allerlei atemberaubende Ausgeburten ungezügelter, humoristischer Experimentierfreude verdichtet er zu einem überraschungsreichen, berauschenden Plädoyer für die Phantasie. Trotz seiner mutigen, verspielten Vielfalt ein Programm wie aus einem Guss, dessen wenige Schwachstellen breitzutreten einer groben Unsportlichkeit gleichkäme. Vielmehr ist es ein eindrucksvoller Beleg dafür, dass Groebner derzeit nicht zufällig als heißer Favorit für einen namhaften deutschen Kabarettpreis gehandelt wird.
Sein “Programmassistent”, ein kleiner Sampler, beschließt den Abend mit den taktvollen Worten : “Hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben.” Erst selten war der Irrealis so positiv besetzt. (pb)
- “Jetzt noch Groebner”, jeweils Fr/Sa im Kabarett Niedermair, 8., Lenaug. 1a, 408 44 92. 19:30
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