Groebner Unfug
Hoher Preis und neues Solo: Ein Wiener Komiker macht ernst.
profil 10/2002
„Die Realität“, so meinte Severin Groebner vor ein paar Jahren in Anbetracht des kostspieligen und oft gesundheitsschädlichen Aufwands, der allseits betrieben wird, um ihr zu entfliehen, „die Realität sollte sich langsam mal Gedanken machen, warum so viele nichts mit ihr zu tun haben wollen.“ Gegenwärtig ist Groebners Wirklichkeit allerdings eine recht genießbare. Vergangene Woche wurde dem 33-jährigen Wiener Künstler der Förderpreis zum renommierten „Deutschen Kleinkunstpreis 2003“ zuerkannt : der Oscar für Newcomer unter den Kabarett-Auszeichnungen im deutschsprachigen Raum. Eine Ehrung, die ihn nicht nur zurecht, sondern auch zu einem günstigen Zeitpunkt ereilt. Denn diesen Montag hat sein drittes Soloprogramm Premiere: „Ganz im Ernst“.
Aufgewachsen ist Groebner dereinst im Heiligenstädter Helmut-Qualtinger-Hof. Ein Umstand, dem er eine vor allem in Deutschland gern zitierte Zeile in seiner Biografie verdankt. Nicht viel mehr. Denn eigentlich wollte er ja – „wie jeder anständige junge Mann“ – Rock-Sänger werden. Seine diversen Bands hatten alle eines gemeinsam: eine kurze Lebensdauer. Erst die Zusammenarbeit mit dem Pianisten und Komponisten Klaus Gröll erweist sich als dauerhafter. Mit ihrer vielfältig vertonten Vorliebe für heitere Diabolik und bisweilen nicht ganz dichte Dichtung landen sie Anfang der 90‘er – anfänglich fast unfreiwillig – in der Kabarettszene. Das Duo „Gröll & Groebner“ besingt dreibeinige Hunde, schlaftrunkene Nachbarn oder Wasserleichen und konstatiert in sinisterster Wienerlied-Tradition „Nur wauns ma schlechd geht, geht’s ma guat“. Trotz stetig steigender Besucherzahlen wird das Kapitel „Gröll & Groebner“ aber nach vier Programmen ad acta gelegt. „Irgendwann sind die Möglichkeiten einfach ausgereizt“, begründet Groebner rückblickend diese Entscheidung, „schließlich ist nicht jede Idee eine gute Idee für ein Lied“.
Und Ideen hat er jede Menge : Musikalisch unterstützt von den Elektronik-Grooves des Wiener Sound-Bastler-Duos „Konsorten“ und optisch untermalt von leuchtstarken Dia-Projektionen entwickelt er ein literarisches und multimediales Crossover-Kabarett. Mit den „Konsorten“ feilt er auch unter dem Motto „Wo fängt Pop an – und wo hört der Spaß auf?“ an der zeitgemäßen Vertonung seiner Lieder. Mit dem Münchner Karikaturisten Christian Moser erarbeitet er eine Bühnenversion dessen Comics „Monster des Alltags“. Bei derartigen interdisziplinären Neulandgewinnungen findet er seine künstlerische Nährböden. Es ist keine artifizielle Effekthascherei, sondern pure Neugier, die ihn zu einem der innovativsten und interessantesten Vertreter der jungen heimischen Kabarettszene reifen lässt.
Vermeintliche Unfüglichkeiten spornen ihn an. „Groebner Unfug“ heißt folgerichtig sein erstes Solo. Ein viel beachtetes Debut, in dem seine hemmungslose Fantasie und prägnante Komik nur stellenweise noch etwas unrund daher kommen. Im Nachfolgeprogramm „Jetzt noch Groebner“ gelingt es ihm bereits sehr viel eleganter und auf scheinbar mühelose Weise, seine vielen Talente – als Komiker, Satiriker, Sänger, Poet und Schauspieler – zu einem homogenen Kabarettkunstwerk zu verdichten. Mit seiner humoristischen Experimentierfreude erntet er abseits ausgetretener Pfade jede Menge hochwertiger Späße und geistreicher Irrwitzigkeiten: mal ist es ein Hörspiel im Dunkeln, mal ein groteskes Gesellschaftsspiel, dann wieder ein kurioser Einakter oder ein satirisches Lied.
Inzwischen ist dieser leidenschaftliche Grenzgänger zum Pendler zwischen Österreich und Deutschland geworden. In München befriedigt er sein stets nach neuen Erfahrungen und Herausforderungen dürstendes Wesen mit Hauptrollen in klamaukigen Musicals des “Lustspielhauses”. Als „Bauerntheater mit Rockmusik” kategorisiert er die Produktionen “Der Watzmann ruft” (2000/01) und „Siegfried”, in der er ab Jänner als schmächtiger Titelheld zu sehen sein wird: „Gegen professionellen Nonsens ist nichts einzuwenden.”
In Wien weicht er indes den allzu comedy-geprägten Erwartungshaltungen des Kabarett-Publikums dadurch aus, dass er sein neues Solo „Ganz im Ernst” (Regie: Nehle Dick) im „Theater Drachengasse” präsentiert. Ein Programm, in dem sich seine Vorliebe für Widersprüchlichkeiten wieder exemplarisch niederschlägt : in der Rolle eines Humor-Historikers macht er sich in der Vergangenheit auf die Suche nach Komik. Und er findet sie an den unvermutetsten Stellen: bei den Kreuzzügen, der Inquisition, im 3. Reich und am 11. September. Eine Gratwanderung. Und sicher nicht seine letzte.
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