Von Groß Schweinbarth nach Chicago
Gerhard Gradinger / „Billy Rubin Trio“
Rustikale Alltagssatire und mafiöser Musikwitz
kabarett.at / 7. März 2005
An die Stätte seines bislang größten künstlerischen Erfolgs ist der erst 24-jährige Niederösterreicher Gerhard Gradinger zurückgekehrt : in die Währinger Kulturwerkstatt “Theaterlabor” (nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls in Währing angesiedelten “Lalish Theaterlabor”), wo er vergangenen November den erstmals veranstalteten “Comedy Knock-out” für sich entscheiden konnte. Letzten Freitag hob er dort sein erstes Solo-Programm aus der Taufe: “Bertlll und die starken Männer” (Regie : Helmut Hafner). Und um es vorweg zu nehmen : Für ein Kabarett-Debut eine erstaunlich runde Leistung.
Ohne spürbare Unsicherheiten präsentiert der äußerlich ein wenig an den jungen Gerald Pichowetz erinnernde Neuling ein Sittenbild seiner Heimatgemeinde Groß Schweinbarth. Wo die „starken Männer” nie „Entschuldigung” sagen, weil sie ja auch keine Fehler machen. Richtige Männer, die ihre Frauen nur an Feiertagen hinters Steuer lassen. Und das auch nur, weil sie keine Angst kennen – höchstens Respekt vor einer Situation. Groß Schweinbarth ist ein kleines Dorf mit Wirtshaus, Kirche, Gemeindeamt und Greisler, in dem die Welt also noch in Ordnung ist – und der zwischenmenschliche, kleinbürgerliche Wettbewerb alle Lebensbereiche durchdringt. Frauen werden hier nur im Rudel schwanger, um ja nicht „out” zu sein. Und sie haben keine Vorbehalte gegen von Kindern in der dritten Welt hergestellte Billig-Textilien : „Die Kleinen nähen sicher genau so gut, wie Erwachsene.”
Groß-Schweinbarth ist ganz offensichtlich ein von äußeren Einflüssen weitgehend unbehelligtes Biotop für geschlechts-typische Verhaltensweisen. Wer sich dagegen auflehnt, hat es schwer. Kein Wunder, dass Gerhard Gradinger seit über 10 Jahren bereits den Berufswunsch „Kabarettist” hegt. Der Humor ist die freundlichste Waffe im Kampf gegen überholte Moral und verstaubte Konventionen. Nie wird Gradinger bei seinen spöttisch-realsatirischen Alltagsbeobachtungen untergriffig. Er ist ein engagierter Erzähler, dem man gerne zuhört, wenn er während seiner stellenweise fast schon liebevollen Schilderungen vom ländlichen Leben zu kleinen Seitenhieben auf ignorante Machos und andere defizitäre Charaktere ausholt. Spektakuläre Geschichten darf man sich nicht erwarten. Wir sind schließlich in Groß Schweinbarth. Was soll in einem Örtchen, in dem das größte Wagnis der ungenierte Kauf von Kondomen ist, schon Sensationelles passieren ?
Einem Kabarettisten nach seinem allerersten (!) abendfüllenden Auftritt vorzuhalten, es mangele ihm noch ein wenig an Originalität, Vielfalt, Formulierungsschärfe oder dramaturgischer Finesse, wäre ungefähr so, als würde man von einem Volksschüler eine Kurvendiskussion erwarten. Nein, Gerhard Gradinger hat sein Debut mit Bravour gemeistert. Wer sich von einem Newcomer sympathisch unterhalten lassen will, sollte an einem der nächsten Freitage im „Theaterlabor” vorbeischauen. Übrigens das einzige Kleinkunst-Theater in Wien, in dem man – so wie seinerzeit im Ur-„Niedermair” – über die Bühne gehen muss, um zu den Toiletten zu gelangen. Das hat schon fast etwas Nostalgisches.
Keine Toiletten, sondern nur das charmante Schild „Bitte die Klos bei McDonalds benutzen“, gibt es im Heiligenstädter Schnellbahnbogen Nr. 278. Dort gab sich im späteren Verlauf des Abends das „Sunny Side Up“-Fans bereits bekannte „Billy Rubin Trio“ die Ganovenehre, seine neue Sängerin Candy zu präsentieren. Sie mögen mir verzeihen, dass sie ihr Konzert ausgerechnet auf „kabarett.at“ wieder finden. Aber ihr Musikwitz ist halt um Längen amüsanter, als Vieles, was einem von wortwitzigen Kleinkünstlern bisweilen geboten wird. Außerdem betten sie ihre Nummern in eine unaufdringliche mafiöse Rahmenhandlung, die mit etwas gutem Willen zumindest die Bezeichnung „Kleinkunst“ rechtfertigen könnte. Doch genug der leidigen Definitionsversuche. Die zündende Idee des „Billy Rubin Trio“ ist folgende : Neuzeitliche Hits von „Oasis“, „Soundgarden“, „The Cure“ oder den „Gorrillaz“ sind in Wahrheit Cover-Versionen von Jazz-Nummern aus dem brodelnden Chicago der 30er Jahre. „Come as you are“ und „Friday I’m in Love“ entpuppen sich im endlich wieder entdeckten Original als Swing-Titel, „Clint Eastwood“ als Ragtime, „Wonderwall” als berührend gehauchte Ballade – und „Smoke on the Water“ verkleidet sich gar als „Take Five“. Und in ihren begnadeten, nostalgischen Arrangements für Piano, Bass, Schlagzeug, fallweise Banjo und Candys wahrlich geile Stimme sorgen diese allseits bekannten Songs für fröhliche Verblüffung ohne Ende. Das „Billy Rubin Trio“ hat so viel Charme, Witz und Esprit, wie nur selten etwas. Und bei diesem Auftritt handelte es sich erst um „die erste öffentliche Probe“ mit der neuen Sängerin ! Alle Infos über diese einmalige Combo und ihre legendäre Historie – auch, wann die nächsten Gigs stattfinden und wer sich hinter den Künstlernamen Billy Rubin, Fast-Finger-Eddie und A.L. Maloni verbirgt – sind unter www.billyrubin.biz zu finden. Nichts wie hin !
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