Warum in die Ferne röhren
Der Standard 05/1994
Als ginge es darum, die ganze Wiesn zu bewirten, so dick und deftig tragen die Herren Rüttinger, Schleich und Springer im Niedermair ihre humoristische Hausmannskost auf und bedienen bereitwillig jedes Klischee. Keine Schwachstelle bayerisch-katholischer Lebensart, die von dem Münchner Trio nicht lautstark auf die Schaufel genommen wird, um sie dort genüsslich auszuwalzen. Keine Figur, die nicht zu einer grellen Karikatur breitplaniert wird. So fett und ignorant poltert ein widerlicher Albtraum nach dem anderen in bestechender Form über die Bühne, dass der latente Brechreiz nur durch konsequentes Lachen kompensiert zu werden vermag.
Ausgerechnet „Das Beste“ nennt das „Kabarett Fernrohr“ diese seine Zusammenstellung exquisiter Emetika, die sich weniger durch die Wahl der Zutaten als durch die Art der Präsentation voneinander abheben. Deutliche Kontraste – zwischen oberflächlichen Brechstangen und tiefschürfenden Klingen -, die dem wohligen Schmerz erst zu seiner vollen Entfaltung verhelfen: Der „Catholic Horror Shop“, der mit dem Verleih von Darstellungen möglichst grauslicher Heiligen-Tode – „rent-a-saint“ – seine Umsätze macht, verfehlt ebenso-wenig seine Wirkung, wie die anlässlich eines Elternsprechtags stattfindende Vorstellung eines durchwegs wahnsinnigen Lehrkörpers oder der bestechend beschränkte Reisebericht eines bayerischen Touristen. Die angekündigten „Höhepunkte und Lachschlager aus sieben Programmen“ entpuppen sich allesamt als gezielte Tiefschläge. Professionell von der Einleitung bis zur Ausschlachtung und mit bemerkenswertem Mut zur wohldosierten Niveaulosigkeit, die in ihrer ungenierten Derbheit abschnittsweise selbst das pawlatschigste Lustspiel blass und dezent erscheinen lässt. (pb)
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