Die üblichen Verdächtigen
Der Standard 02/1998
„Kennst du bessere neue?“ Mit dieser rein rhetorischen Frage an seinen gefühlvollen Flügel-Spieler Walter Lochmann leitet Josefstadt-Mime Gerhard Ernst bereits gleich nach der Pause seiner „kabarettistisch-musikalischen Revue“ zu jenen Liedern über, die er zum Teil bereits in seinem Akademietheater-Soloprogramm „Der G’schupfte Ferdl“ 50 Mal zur Aufführung gebracht hat, und die allgemein als musikalische Manifestation der „Goldenen Zeit des Wiener Kabaretts“ gelten. Doch erstens schreiben wir bereits das als Fortsetzungs-Programm angekündigte „Der Papa wird’s schon richten“ und zweitens ein Jahrzehnt, das gerade am Kabarett-Sektor Lieder hervorgebracht hat, die sich vor der Klasse eines „Bundesbahnblues“ nicht zu verstecken brauchen. Selbige sind natürlich in einem von Lore Krainer (Buch), Thaddäus Podgorski („szenische Aufbereitung“) und Gerhard Ernst gestalteten „Rabenhof“-Programm weder zu erwarten noch wahrscheinlich wirklich wünschenswert, aber ihre zweifellose Existenz – als Rechtfertigung für den abermaligen, halbjährlich in Premierengestalt wiederkehrenden, erfolgsgarantierenden Griff in die Historie – schlicht zu negieren, ist auf Dauer ärgerlich. Zumal dieses Argument nicht das erste Mal im „Rabenhof“ nach Beifall heischt. Grundsätzlich spricht ja selbstverständlich überhaupt nichts dagegen, diese kabarettistischen Dokumente auch weiterhin zur Aufführung zu bringen. Nur bitte mit der etwas weniger von Selbstgefälligkeit gekennzeichneten Einleitung „Ich sing sie gern, sie hören sie gerne – also warum soll ich mir und ihnen etwas anderes antun.“
Dabei hatte das Programm in der ersten Hälfte durchaus einige weit weniger gassenhauende und dementsprechend interessante Nummern aufzuweisen. Wie z.B. die von Dieter Gogg stammenden, Chauvinismus und Verlogenheit satirisch-plakativ anprangernden Songs über den „Pfuscherkönig“ und „Feta aus Dingsda“. Oder die aufs Angenehmste ins unerwartet Schaurige abgleitende Mär des „Berufsgespensts“. Oder die mundunartigen Schimpforgien in „Lokale Ausdrücke“. Oder der berührende „Buchenwäldermarsch“ vom Duo Leopoldi / Löhner-Beda. Ganz zu schweigen, von einem Kreisler-Klassiker, der – ob seines scheinbar konflikt-präventiv seltenen Einsatzes in vorrangig dem Autor und Komponisten Gerhard Bronner gewidmeten Kabarett-Abenden – mittlerweile so wenig geläufig ist, dass das Publikum beim ersten Refrain in spontane Heiterkeit ausbrach: „Tauben vergiften im Park“.
Die zwischenzeitlich eingestreuten Conférencen sind in diesem Programm ebenso überflüssig wie erfreulich kurz, erzielt Ernst doch die größten Lacher mit billigen „Schangse“-Scherzen über seinen ehemaligen Burgtheater-Arbeitgeber. Was seine überdies bedauernswert verkühlte, stimmliche Verfassung betrifft – von hier aus ein vielseitiges „Gute Besserung“.
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