Dregggggsau!
Der Nürnberger Gewinner des „Kabarett-Kaktus 2007“ gastierte erstmals in Wien.
kabarett.at 05/2008
„Kann ich vielleicht eine Antwort haben ?“, brüllt er sein verschrecktes Publikum mit hysterisch kreischender Stimme an. Leicht haben es die Zuschauer bei Matthias Egersdörfer wahrhaftig nicht. Kann man ja nicht wissen, dass man sofort reagieren muss, wenn der Kabarettist eine womöglich ja nur rhetorisch gemeinte Frage stellt. Zumal es sich ganz offensichtlich um einen äußerst missmutigen Künstler handelt, bei dem man lieber nicht das Risiko eingehen möchte, ihn mit Wortmeldungen zu reizen. Könnte ja genau der Tropfen sein, der das randvolle Fass fränkischer Frustration zum Überlaufen bringt.
Aber dessen bedarf es gar nicht. Den besorgt sich Egersdörfer schon ganz alleine. Einer Dame in der ersten Reihe, der er „zuwenig Grips und a bleds Gsicht“ attestiert, empfiehlt er, sich lieber nach hinten zu verziehen. Zwischenlacher werden grob zurechtgewiesen, sich ein wenig an der Allgemeinheit zu orientieren, statt den Vortrag mit unkontrollierter und völlig unpassender Heiterkeit zu stören. Und das alles in der doch recht deftigen Intonation eines gebürtigen Nürnbergers. Und zwischenzeitlich mit einem Organ, mit dem er das Orpheum auch locker ohne Mikro beschallen könnte.
Es sei nämlich so, erklärt Egersdörfer griesgrämig, dass man es schon seinem Großvater nicht ansehen konnte, wenn er gute Laune hatte. Das läge in der Familie. Er sei ja in Wahrheit total glücklich in Wien zu sein. Und das Tragische daran : Wahrscheinlich stimmt das sogar. Trotz der überdrüssigen Vornübergebeughtheit und der tief heruntergezogenen Mundwinkel. Äußerlich geht’s halt nicht fröhlicher.
Das ist schon eine bemerkenswerte Leistung : Ausgerechnet als Comedian konsequent und unverhohlen ausstrahlen, dass die Lebensfreude gerade gehörig Pause macht – und das Publikum doch zu keinem Zeitpunkt mit hinunter zu ziehen. Doch. Ein Mal. Als er seinen Wunsch formuliert, jenen Autofahrer, der ihn im Hinterhof einfach zugeparkt hat, für längere Zeit in einen Keller zu sperren. Da ward es kurz ganz ruhig im Saal. Mit „in den Keller sperren“ ist hierzulande zurzeit nicht zu spaßen.
In der Rolle dieses zu cholerischen Ausbrüchen neigenden Grantlers erzählt der spätberufene Kabarettist und Comedian Matthias Egersdörfer grundsätzlich ganz normale Alltagsgeschichten aus seinem inzwischen 39-jährigen Leben. Von der Volksschule, wo man ihm mit „Falten und Kleben“ – so auch der Titel seines aktuellen Soloprogramms – die Freude an der Schule ausgetrieben hätte. Wer braucht schon einen Wollkreis-Schneemann für den erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben ? Oder von seiner konsequent mit der in mehrfacher Hinsicht abschätzigen Bezeichnung „Lebensabschnittspartner“ titulierten Gefährtin, der er – ausgerechnet er ! – nach einer Stafette verletzender Gehässigkeiten auch noch vorwirft, „das ganze Jahr scheiße drauf“ zu sein. Oder – und das in besonders blumiger Ausführlichkeit – von seinem bereits erwähnten, hinterhöfigen Einpark-Erlebnis. Wer hätte gedacht, dass die Erinnerungen eines wandelnden Magengeschwürs so saukomisch sein könnten ?
Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt der kuriose Kontrast zwischen Egersdörfers griesgrämiger und grobschlächtiger äußerer Erscheinung und seinem immer wieder fast schon rührend naiven Zugang zu den großen und kleinen Ärgernissen und Unklarheiten der weiten Welt und des engsten Umfelds. Da wirkt er dann wie ein der bösen Erwachsenen-Welt hilflos ausgeliefertes Kleinkind, dem das Leben laufend unfair und übel mitspielt. Also reagiert er auch wie ein Kleinkind – mit ungefilterten Emotionen : Wenn’s zwickt, wird gequengelt. Wenn’s weh tut, gebrüllt. Und spontane Zornattacken sind jederzeit zulässig. Ob gerecht oder nicht, spielt keine Rolle. Da darf man einem im Weg stehenden Auto auch mal das Wort „Drecksau“ in voller Breitseite in den Lack kratzen – „aber mit fünf g !“.
In Wahrheit sucht dieses unausgeglichene Wesen ja nur ganz dringend seinen inneren Frieden. Nichts wäre ihm lieber, als sich nicht mehr aufregen zu müssen. Aber das würde es nur in einer besseren Welt spielen. Matthias Egersdörfer arbeitet daran.
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