Körperkabarett
Der Standard 3/1995
„Ausziehen ! Ausziehen!“ ertönen schon nach wenigen Minuten die ersten eindeutigen Rufe aus jenem Teil des Publikums, das das phy-sisch verheißungsvolle Programm-Plakat, auf dem sich ein bodygebuildeter Roland Düringer räkelt, als Garant für die sofortige Präsentation nackter Haut mißverstanden zu haben scheint. Auch dieses Grüppchen voyeuristischer Mus-kel-Fetischisten wird im Laufe des Abends bedient, aber vorerst präsentiert sich Roland Düringer so, wie Schlabarett-Freunde ihn be-reits aus „Mahlzeit“, „Muttertag“ etc. kennen : als schmerbäuchiger Spießbürger. Willy Kri-wanek ist ein Sackbauer, wie er im Buche steht : der Oberprolet mit dem Überschmäh. Einer, den nichts aus der Bahn werfen kann. Glaubt er. Doch Fett, Nikotin und Alkohol sind die Wegbereiter eines herzigen Kasperls, der unvermutet zuschlägt. So steht Willy plötz-lich vor seinem Schöpfer, der – erfrischend weit entfernt von jeglicher Göttlichkeit – ihm den Löffel, mit dem er gerade noch feierlich Blei gegossen hat, für immer abnehmen möch-te – es sei denn, es gelingt ihm, binnen einem Jahr einen Fünfkampf zu gewinnen. Das ist die Vorgeschichte für das nun folgende zwei-stündiges Konditions- und Muskelaufbau-Trai-ning, in dem Roland Düringer alle Qualitäten eines begnadeten Volksschauspielers und Re-gister senes Könnens andeutet. In den Katego-rien Wort, Witz und Wuchtel ist er kaum zu schlagen, denn seine Pointen sind nicht nahe-liegend : Sie kommen aus einer Tiefe des sprachlichen Fundus, in deren Bestand mund-artiger Unartigkeiten es sich noch zu fischen lohnt. Auch diese können aber nicht darüber hinweg täuschen, daß „Superbolic“ noch alles andere als ein rundes Programm ist : Zu zer-franst ist der geradlinig gespannte Handlungs-strang. Zu sehr belastet ihn Roland Düringer mit Nebensächlichkeiten. Zu viele zu undiffe-renziert präsentierte Figuren schleift er daran durchs Geschehen. Daß diese brüchig gewor-dene Halteleine schlußendlich entspannt durchhängt, verwundert nicht. Zu Denken ge-ben sollte Düringer auch der Umstand, daß sich ausgerechnet seine im hautengen Turner-dress vorgetanzte Aerobic-Einlage zur umju-beltsten Nummer des Abends mausert. Fazit : ein merkwürdiges Stück Kabarett – irgendwo zwischen Mundl, Pradl und Chippendale.
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