Erwartungen und Überraschungen
Roland Düringer über sein neues Solo „Viertelliterklasse“.
profil 04/2001
Herr Düringer, wer sich von der „Viertelliterklasse“ ein Programm im Stil seiner Vorgänger “Benzinbrüder”, “Regenerationsabend” oder gar “MA 2412” erwartet, sollte sich auf eine Enttäuschung gefasst machen?
Dann liegt man zumindest zunächst einmal ziemlich falsch. Es ist eher eine theatralische Geschichte. Höchstens vergleichbar mit “Superbolic”. Der grundlegendste Unterschied ist sicher, dass ich selbst erst am Schluss die Bühne betreten werde – als Düringer. Vorher agieren nur Figuren. Beim Schreiben des Stücks habe ich bewußt probiert, das Hineinschreiben von Wuchteln zu unterlassen …
… was Ihnen ja nicht ganz leicht fällt ?
Richtig : was mir wahrscheinlich sogar schwerer fällt, als anderen, Wuchteln zu schreiben. Aber ich habe mir wirklich Mühe gegeben, darauf zu achten, dass mir das nicht passiert. Es ist jetzt aber nicht so, dass das Stück unkomisch ist. Nur es hat halt nicht den typischen Düringer-Schmäh, diese Wuchteln, die mir so leicht fallen. Das habe ich schon in der Schule so gut können : diese 3-Worte-Aufsätze. Konkrete Vorgaben und daraus etwas Lustiges machen – das hat mir nie Probleme bereitet. Und das kann ich nach wie vor. Diesmal will ich mich aber in erster Linie auf die Geschichte beschränken : eine meiner Meinung nach sehr spannende Geschichte, die sogar etwas Krimihaftes hat.
Klingt nach einem deutlichen Abzweiger vom steilen, linearen Karriereweg ?
Möglich. Jetzt bin ich halt gottseidank in der Position, in der ich es mir leisten kann, so etwas zu machen. Ich stell mich bereits darauf ein, dass viele Leute sagen werden : “Das andere war aber lustiger.” Und das wird mich dann auch nicht stören. Denn es ist ein bewusster Akt, über den ich lang nachgedacht habe. Während des Schreibens habe ich drei Wochen lang damit zugebracht, mir zu überlegen, ob ich das jetzt so mache, wie es jetzt geworden ist, oder so, wie immer.
Ist das vielleicht auch eine Spur Taktik, um möglichen Vergleichen mit den “Benzinbrüdern” den Wind aus den Segeln zu nehmen ?
Die Furcht habe ich gehabt bei “Superbolic” – also nach dem Erfolg von “Hinterholzacht”. Seitdem gibt es die nicht mehr. Ein einschneidendes Erlebnis war für mich in dieser Beziehung aber der “Regenerationsabend”. Da bin ich ja anfänglich wirklich ziemlich unvorbereitet auf die Bühne gegangen. Ich habe zwar gewußt, dass es ein paar Geschichten gibt, die ich jederzeit erzählen kann und die immer lustig sind, habe aber dann nur gefragt : “Was wollt ihr wissen von mir ?” Und die Leute haben mich dann halt irgendwelche Sachen gefragt. Und da habe ich gemerkt, ich kann eigentlich erzählen, was ich will, die Leute finden es immer lustig. Und irgendwie denke ich mir, das kann es ja wohl nicht sein.
Ein mutiger Schritt …
Nein, mutig wäre es gewesen, wenn ich das gleich nach “Hinterholzacht” gemacht hätte. Ich komm mir jetzt wirklich nicht mutig vor. Weil wenn die Leuzte jetzt sagen, es ist ein kompletter Schass, und nach einem halben Jahr will es keiner mehr sehen, na gut, dann mach ich halt wieder ein neues Programm. So mutig finde ich das nicht. Ich finde einfach, es ist einmal notwendig. Beim “Regenerationsabend” sitzen Leute drin, die mich dann fragen, ob die Frau Knackal heute kommt oder ob ich wirklich in Kaisermühlen wohne. Da denke ich mir dann: Moment einmal, Freunde.
Und diese Teile des von Ihnen erarbeiteten Publikums werden sie also vorsätzlich auf der Strecke lassen ?
Dieser Teil ist ja kein erarbeiteter Teil des Publikums.
Dreharbeiten für MA 2412 sind keine Arbeit ?
Na ja, schon natürlich, aber … man darf das natürlich nicht laut sagen : Aber die brauchen am besten gar nicht erst zu kommen.
Die komplette erste Spielserie ist eh schon jetzt ausverkauft …
… ohne dass sie irgendwas wissen. Was mich gefreut hat, ist, dass die Finte mit dem Titel so gut gelungen ist. Im “Kurier” ist vor zwei Monaten schon gestanden, Düringer nimmt also jetzt die Motorradfahrer aufs Korn.
Dabei hätte man im damaligen ersten Pressetext nur zwei Zeilen weiterlesen müssen, um zu erkennen, dass es bei der “Viertelliterklasse” um etwas anderes geht.
Genau. Und der Text war ja nicht so umfangreich [4 Zeilen insgesamt, Anm.], dass man als Journalist gleich davor zurückschrecken muss. Wenn das jemanden überfordert, kann ich auch nichts machen. Da kann ich dann nur darüber lachen.
Zentrales Thema ist also der Alkohol ?
Ja. Im gleichen Sinn, wie es bei “Benzinbrüder” ums Auto gegangen ist. Grundsätzlich geht es wieder um Menschen. Konkret: um vier verschiedene Menschen. Meine Aufgabenstellung war die, ein Stück über das Thema Alkohol zu machen, das ohne erhobenen Zeigefinger auskommt, und ohne, dass dauernd Besoffene auf der Bühne sind.
Eine interessante Herausforderung …
… die ich, so glaube ich, elegant gelöst habe. Es beginnt mit vier Einzel-Geschichten. Vier Gestalten mit unterschiedlicher sozialer Herkunft, die zwei gemeinsame Nenner haben: sie trinken Alkohol – und sie treffen sich auf der gleichen Betriebs-Weihnachtsfeier.
Und am Ende kommt Roland Düringer als Pfarrer und sagt, was gut und böse ist.
Eher im Gegenteil.
Ist Ihnen das Thema Alkohol ein persönliches Anliegen ?
In gewisser Weise ja. Weil ich es nämlich einfach nicht verstehe, warum gesoffen wird. Ich trink auch hin und wieder Alkohol, aber mehr weil mir manche Sachen halt schmecken. Aber mir wäre eine Caipirinha noch lieber, wenn kein Alkohol drin wäre und sie trotzdem genauso schmecken würde. Und ich habe einfach irrsinnig oft Betrunkene um mich: im Publikum, unter den Kollegen oder in meiner Nachbarschaft. Überall begegnen sie dir. Das ist ganz normal. Es ist in gewisser Weise zwar nachvollziehbar, warum sie saufen, aber ich verstehe trotzdem nicht ganz, warum sie sich nichts anderes finden. Warum sie es sich so leicht machen.
Aber Erfahrungen mit Räuschen haben Sie auch ?
Sicher, ich war auch schon angesoffen, na klar.
Aber kein Zustand, der Ihnen sonderlich getaugt hat ?
Überhaupt nicht. Vor allem der nächste Tag ist ja der Horror. Das ist ja das : Ich verstehe, dass einer dem es nicht so gut geht, sagt, wenn ich jetzt saufe, geht es mir die nächsten fünf Stunden vielleicht besser. Zumindest bis zu dem Punkt, an dem er speibt und eh nicht mehr weiß, was los ist. Aber der nächste Tag muss doch die Erleuchtung sein. Mein letzter Rausch ist jetzt vier oder fünf Jahre her. Das war nach einer Landesmeisterschaft im Mountainbike-Fahren. Da haben wir gefeiert.
Die diesbezügliche Lernfähigkeit ist ja – gemäß “Morgen, ja morgen fang ich ein neues Leben an” – eine eher beschränkte … ?
Offenbar. Und genau darum geht es unter anderem in meine Geschichte.
Klingt spannend.
Also, wenn die Leute nachher sagen, das war ein spannender Abend, wäre das für mich das größte Kompliment. Schon beim Film “Hinterholzacht” wurden Erwartungshaltungen nicht erfüllt. Und der Film hat funktioniert, obwohl mir sehr viele Leute gesagt haben, dass das Programm schon lustiger gewesen sei. Aber damit da jetzt kein falscher Eindruck entsteht : Es wird kein unheiteres Programm. Es ist jetzt nicht so, dass ich plötzlich eine Gedicht-Lesung mache. So komplett anders ist es natürlich auch wieder nicht.
Danke für das Gespräch.
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