Lonesome Rider
In “Wanted” flüchtet Alfred Dorfer in die Fantasie. In Wirklichkeit ganz im Gegenteil.
tele / 2. April 2001
Für Filme mit dem Titel Wanted war das Jahr 1999 ein besonders ergiebiges. Gleich drei Streifen dieses Namens liefen in den Kinos – allerdings geographisch und formal so weit voneinander entfernt, dass nie Verwechslungsgefahr bestand : ein finnischer Kurzfilm, ein amerikanischer Thriller – der es zurecht nie in die europäischen Kinos geschafft hat – und eine österreichische Produktion, die sich gegen jedes Genre-Etikett wehrt. Alfred Dorfers “Wanted” (Regie : Harald Sicheritz) wurde mit 190.000 Besuchern zur erfolgreichsten heimischen Kinofilm des Jahres. Dass er dafür unlängst das “Goldene Ticket” überreicht bekam, war für den Autor und Hauptdarsteller zwar ein sehr erfreuliches, aber fast etwas überraschendes Ergebnis.
“Uns war von Anfang an bewusst”, erläutert Dorfer rückblickend, “dass Wanted kein potentieller Blockbuster wird. Das schaffen nur Filme, die sich genremäßig eindeutig festmachen lassen.” Bei Wanted wurde gerade das vorsätzlich vermieden : kein Kabarettfilm, keine Komödie im strengeren Sinn, kein Problemfilm und sicher kein Western – trotz des Titels und der Kostümierung. Wanted hat von allem etwas. Die Publikumsreaktionen waren entsprechend geteilt – und gelegentlich verwirrt : “Es war einfach nicht das, was die Leute von mir erwartet haben”, bringt es Dorfer auf den Punkt, “aber nachdem der Film so vielfältig ist, bin ich auch mit den vielfältigen Reaktionen sehr zufrieden.”
Im Mittelpunkt der Handlung steht ein schicksalsgebeutelter Unfallchirurg, der sich freiwillig in eine geschlossene Anstalt zurückzieht. Vom Alltag überfordert flüchtet er in seine Phantasie-Welt : in den Wilden Westen, wo Gut und Böse noch Hand und Fuss haben. Zumindest dort kann er seine Probleme bewältigen. Dass er im Zuge seiner inneren Emigration auf allerlei klischeehafte Charaktere stößt, liegt in der Natur der Sache. Als letzter Verbindungsmann zur Realität dient ihm ein von seinen verzweifelten Eltern zu Hilfe gerufener Pfarrer (Michael Niavarani). Doch auch der findet zunehmend Gefallen am Cowboy-Dasein …
”Für mich persönlich ist Wanted eigentlich schon eine Komödie”, einigt sich Dorfer dann doch auf eine Markenbezeichnung, “aber ich kann auch über Dinge lachen, die andere gar nicht lustig finden. Sagen wir so: Wenn Indien eine Komödie war, dann ist Wanted auch eine.”
Spass gemacht hat ihm Wanted allemal. Besonders schöne Erinnerungen hat er an die mehrwöchige, enge Zusammenarbeit mit der Quarterhorse-Stute “April” : “Sie war sehr geduldig mit einem Anfänger auf ihrem Rücken.” Schließlich musste Alfred Dorfer für Wanted zumindest die Grundbegriffe des Reitens erlernen. Die Erfahrung, beim Drehen inmitten der faszinierenden Einöde eines Truppenübungsplatzes im Wilden Westen von Wiener Neustadt von einem “siamesischen Co-Darsteller” abhängig zu sein, hat aber nicht nur seinen schauspielerischen Horizont erweitert : Dorfer ist auf den Geschmack gekommen: “Wenn das Wetter mispielt, gehe ich bestimmt demnächst wieder reiten”, freut er sich.
Soweit das rückblickend lachende Auge. Im anderen hängt ein kleiner Wermutstropfen: Denn der erhoffte grenzüberschreitende Sprung in die deutschen Kinos blieb Wanted verwehrt. Immerhin wurde es Dorfer dadurch erspart, seinem Film einen neuen Namen geben zu müssen. In Deutschland ist Wanted nämlich bereits ein geschützter Titel. “Dass ein Film, der von der Verständlichkeit her weitaus kompatibler ist als Indien oder Muttertag, nicht einmal bei kleinen Verleih-Firmen Interesse wecken konnte,” räumt Dorfer unverblümt ein, “empfinde ich schon als Niederlage.”
Umso mehr freut es ihn, dass er in seiner Funktion als Kabarettist in Deutschland gefragter ist denn je. Nach einer ersten, ausverkauften Woche in München, will er mit seinem aktuellen Solo “heim.at” schon bald – wenn die letzte Staffel von ”MA 2412” geschrieben und abgedreht ist – auch die Metropolen Berlin und Hamburg erobern. ”Ich finde es sehr reizvoll zu überprüfen, ob das Programm “heim.at” auch dort funktioniert.”
Eine vielschichtige Aufarbeitung der österreichischen Psyche auf deutschen Kabarett-Bühnen? Für Dorfer kein Problem. In der Export-Version seines Erfolgs-Programms kommen namentlich nur noch ein Bundeskanzler und ein einfaches Parteimitglied vor. Bei der satirischen Aufarbeitung der Hinter- und Abgründe politischer und gesellschaftlicher Phänomene ortet Dorfer keinerlei Adaptions-Bedarf: “Viele Umstände verlaufen da durchaus analog. Da wird es keine Verständigungsschwierigkeiten geben. Aber natürlich gibt es bei uns auch ganz einzigartige, österreichisch-spezifische Leckerbissen, die es in Deutschland nicht gibt.” Ein klein wenig Nationalstolz muss erlaubt sein – um einen Begriff aufzuwerfen, der letztens im benachbarten Bundestag für Wirbel sorgte. Ist Alfred Dorfer stolz darauf, Österreicher zu sein ? “Man kann sein Heimatland mögen, oder eine gewisse Verbundenheit mit ihm empfinden”, winkt er ab, “aber es gibt keinen logischen Grund, auf den zufälligen Standort seiner Gebärklinik stolz zu sein.”
Ein Satz, mit dem er wohl die Glut jener vermeintlichen Patrioten, die in kritischen Kabarettisten ohnehin nur “Nestbeschmutzer” und “Vernaderer” sehen, wieder kräftig anfachen dürfte. “Ich bin kein Schönfärber und kein Weichzeichner”, stellt Dorfer klar. Auch nicht im Ausland. Wer an den politischen Vorgängen in Österreich interessiert ist, dem liefert er die unterhaltsame Analyse. “Ob der dann allerdings zur Vertiefung seines Wissens auch bei uns Urlaub macht oder nicht – die Aufgabe überlasse ich anderen Berufsgruppen.” (pb)
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