Zielstrebig auf Irrwegen
Der Standard 09/1994
Er ist doppelt im Kino (in „Indien“ und „Muttertag“), hat ein Dezennium Schlabarett hinter sich und spielt – nach seinem Vorjahrs-Solo-Debut-Erfolg „Alles Gute“ – nunmehr im Vindobona „Ohne Netz“: Alfred Dorfer.
Auf den ersten Blick ist alles beim Alten Guten: Wieder ist das Thema ein Menschenleben – von der Wiege im Gemeindebau bis zur Altersheim-Vision, von der ersten Liebe bis zur letzten Ölung.
Im Mittelpunkt des Geschehens steht diesmal aber kein frustrierter Lehrer, den das Schicksal durchs Leben weht, sondern Fredl Frühling, ein erfolgreicher Musik-Entertainer, der sich zielstrebig auf Irrwegen und in Sackgassen bewegt und – von allen Alternativen und Ausweichrouten verlassen – das große Zweifeln bekommt : Die Liebe endet mit Impotenz, die Karriere mündet in der Einsamkeit und die Kreativität im Alkohol. Nicht einmal der Erfolg ist eine Lebensversicherung, denn was nützt einem die Berühmtheit letztlich am Klo ? Der Erfolglose weiß wenigstens, wo er noch hin will – der Erfolgreiche hat nur noch Ängste, die ihn weitertreiben. Fredl Frühling reift zum Nihilisten und stirbt – lange vor seinem Tod.
„Ohne Netz“ ist ein spaßiges Melancholical, in dem Dorfer den Schwerpunkt auf die Musik (gewohnt großartig : Lothar Scherpe, Peter Herrmann und Günther Paal) verlagert hat. Aus vormals formalem Füll- und Fetz-Material sind eigenständige Lieder geworden: ernst, nicht betroffen-heitsheischend, berührend, nicht peinlich. Doch schon rennt wieder der Schmäh – im üppigen Garten des Wiener Blues, und Fredi Dorfer, der traurige Clown, zerpflückt weiter – unter dem tosenden Gelächter des Publikums – genüsslich die Blume des Lebens: „Es liebt mich, es liebt mich nicht, es liebt mich …“.
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