Danke, gar nicht lieb
Der Standard 09/1996
Kantig und anstößig, voller Spitzen und Tiefen waren seine bisherigen Soli auch. Nur gemerkt hat es kaum einer, weil er sie dermaßen mit leichtverdaulichen Lachmachern abgefüllt hat, daß sie glatt durch Gehör und Gehirn gleiten konnten. Alfred Dorfer, Mitverantwortlicher für drei der erfolgreichsten österreichischen Filme in den letzten Jahren, Ex-Schlabarettist und seit drei Jahren mit seiner Band auf Kabarett-Solo-Pfaden unterwegs, ist in seinem neuen Programm „Badeschluss“ auf angenehmste Weise wohldosiert witzig: Dorfer, natur. Ohne billige Beilagen. Auf der Bühne kann – und muss – er sich das leisten. Denn erstens ist er sowiso ausverkauft und zweitens legt er ein dramaturgisches Tempo vor, bei dem das Bücken nach jedem sich anbietendem Scherz zur latenten Unfallgefahr würde.
Die Lieder und Conferencen sind auf das Wesentlichste verknappt, die Musiker – von Anfang an integraler Bestandteil des Bühnengeschehens – setzen beschleunigende Akzente und sorgen für die jeweils passende akustische Kulisse, und stilistische Zitate sind kein Zufall: die peitschende Erzählweise erinnert an Hader und die gereimte Doppel-Conference ist wohl als Hommage an Resetarits gemeint. Dennoch ist Alfred Dorfer gerade in „Badeschluss“ unverwechselbarer denn je. Und das weniger aufgrund seiner punktuellen, politisch unmissverständlichen und die Dinge und Personen beim Namen nennenden Stellungnahmen, sondern viel mehr ob seiner unspektakulären Beiäufigkeit, mit der er durch die Freuden und Frustrationen eines Vertreters des rechtskonservativen und eines des altlinken Lagers jagt, ohne sie zu überzeichnen oder zu Karikaturen ihrer Ideologien zu machen. In alltäglichen, vertrauten Grautönen nähert sich Dorfer der österreichischen Schizophrenie und zeichnet mit ihnen stimmungsvolle Allegorien. Z.B. auf den Zustand des heutigen Sozialismus in Österreich: „Badeschluss im Arbeiterstrandbad“.
Wer Dorfers Endzeitstimmung auch dann noch nicht verspürt, wenn das Trio Scherpe/Herrmann/Paal die Nationalhymne verblüffend harmonisch mit „Guten Abend, Gute Nacht“ begleitet, dem singt er in der Zugabe Klartext: „Wo der Schmäh aufhört“. Gar nicht lieb. Danke!
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