Satirische Probebohrungen
Der Standard 05/1997
„Ich will mich ja nicht einmischen, aber …“ ist jene immer wiederkehrende Phrase, mit der der im Rahmen der Wiener Festwochen als artist in residence in Wien weilende Satiriker Matthias Deutschmann seinem nächtlichen Publikum im Schauspielhaus, das als pars pro toto Österreich zu verkörpern hat, gute Ratschläge für dessen europäische Zukunft zwischen Neutralität und NATO unter die Nase reibt. Mit dem diskreten Charme deutscher Überheblichkeit – genießbar gemacht durch eine gehörige Portion Selbstironie. „Was will der Piefke hier in Wien? Vielleicht sucht er Anschluss?“
Als ein mit dem distanzierten Blickwinkel eines Außenstehenden gesegneter Gesandter des großen Bruders ist man ja – gemeinsame Geschichte verpflichtet – geradezu verantwortlich für das Wohlbefinden des kleinen Alpenstaatskörpers. Dabei liegt es in der Natur eines Deutschmanns, dass die Austria-Analysen nicht in einem annähernd so unerschütterlichen Fundament wurzeln können, wie die verbale Vivisektion seines Heimat- und Herkunftlandes. So ruhig führt er z.B. bei der Freilegung der Rolle Deutschlands im internationalen Waffenhandel die bis ins Mark dringende Klinge, dass die kleinen Oberflächlichkeiten und Unsicherheiten bei der Annäherung an Österreich – Folgen auch der auf Neuland anfangs unvermeidlichen Probebohrungen mittels Satire aus zweiter Hand – vergleichsweise fast schon wie Schnitzer anmuten: über die Freundlichkeit des Österreichers als Distanz-Waffe, oder über Wien – die Stadt in der „gut Kurden morden“ ist.
Die Hoffnung ist allerdings durchaus berechtigt, dass er im Zuge seiner weiteren vier „Nachtangriffe“ („Wenn das der Führer wüsste“, an jedem Freitag im Mai um 23:00 Uhr im Schauspielhaus) auch auf dem ihm noch fremden „Terräng“ jene Schnitttiefe erreicht, die dieses für Deutschmann so typische, von zutiefst empörter Betroffenheit durchwachsene Amüsement zu erzeugen im Stande ist.
0 comments on Satirische Probebohrungen