Kabarett für morgen und von gestern
„Deutsche Kleinkunstpreise 2005“ für Gerhard Bronner, Gunkl, Lisa Politt und Hagen Rether
kabarett.at / 17. Februar 2005
Am vergangenen Sonntag gab es zwei gute Gründe, nach Mainz zu fahren : 1) Der Karneval ist vorbei. 2) Die feierliche Verleihung der „Deutschen Kleinkunstpreise 2005“ im ehrwürdigen Kabarett-Theater „unterhaus“. Denn zum ersten Mal in der 33-jährigen Geschichte dieses „Oscars“ unter den zahllosen Kabarett-Auszeichnungen stellte Österreich heuer gleich 50% der Preisträger.
In der Sparte „Kabarett“ einigte sich die aus 25 Fachjournalisten bestehende Jury auf die hierzulande bislang weitgehend unbekannte Lisa Politt. Ein 48-jähriges Energiebündel, das mit seiner 30-minütigen Darbietung eindrucksvoll belegte, dass zeitkritisches, politisches Kabarett keine Männerdomäne ist. Eine temperamentvolle Überzeugungstäterin und Verunsicherungsagentin mit ausgeprägtem Hang zu einem radikalen Konfrontationskurs – vor allem, wenn es um konservative und männliche Machtsysteme geht.
Die Sensation des Abends lieferte noch vor der Pause der 35-jährige Freiburger Hagen Rether. Dass er den „Förderpreis“ zugesprochen bekam, lässt sich höchstens dadurch rechtfertigen, dass er erst ein Soloprogramm auf die Bühne gebracht hat. Noch nie war ein Debut so ausgereift, hochklassig und vor allem einzigartig. Rether erscheint als etwas schlaksiger, elegant gekleideter Barpianist – mit einem Baseballschläger in der Hand ! Den legt er vorsichtig auf den Flügel und beginnt zu spielen. Nichts Aufregendes. Entspannte Hintergrundmusik für seine scharfsinnigen Pointen über Politik und Gesellschaft. Bei aller Boshaftig- und Bissigkeit bleibt Rethers Bühnenfigur stets charmant, mit einer Prise Arroganz. Kein Freund vieler Worte – dafür kommen die, die er verwendet mit Ehrfurcht gebietend intelligenter Treffsicherheit. Wie präzise Hiebe mit dem Baseballschläger. Zum Beispiel sein knapper Dialog zum Thema Oppositionspolitik : „Frau Merkel, reparieren sie doch mal den Zaun.“ – „Keine Zeit. Ich muss die Hühner einfangen.“
Vor ein paar Jahren haben die „Wiener Festwochen“ den Polit-Kabarettisten Matthias Deutschmann als „artist in residence“ nach Wien geladen, damit er ein auf Österreich zugeschneidertes Programm entwickeln konnte. Hagen Rether wäre für ein derartiges Projekt der Mann der Stunde. Könnte das bitte jemand übernehmen ! Österreich hat Rether mehr als verdient. Günther Gunkl Paal umschrieb den Stil dieses Ausnahmekünstlers bewundernd mit den Worten : „Kabarett wie Kampfkunst“.
Gunkl selbst hatte erwartungsgemäß nicht leicht in Mainz. Der heurige Preisträger in der Kategorie „Kleinkunst“ (weil fast alles, was bei uns unter „Kabarett“ läuft, für deutsches Empfinden „Kleinkunst“ ist) fühlte sich nach seinem Auftritt in der Einschätzung der Kompatibilität zwischen ihm und dem rheinischen Publikum bestätigt. Zwar wurde ihm gebührende Anerkennung und wohlwollender Applaus entgegengebracht, doch der zündende Funke wollte an diesem Abend nicht überspringen. Seine komplex-komplizierten Programme sind eben nichts für Freunde lauthalsiger Lacher. Und mit kurzen Ausschnitten ausgerechnet ein mehrheitlich aus Mainzer Würdenträgern, Journalisten und anderen geladenen Gästen zusammengesetztes Publikum zu begeistern, ist schon fast ein Ding der Unmöglichkeit. Die absolute Preiswürdigkeit seiner Kabarett-Kunst wurde aber anschließend von Niemandem angezweifelt.
Nach einer von Ernst Stankovski gesungenen Laudatio auf seinen frühen Förderer, durfte abschließend der 82-jährige Gerhard Bronner die heuer als „Ehrenpreis“ verliehene Auszeichnung in der Sparte „Musik/Lied/Chanson“ entgegennehmen. Ehre, wem Ehre gebührt. Ohne jeglichen Anflug falscher Bescheidenheit bedankte sich Bronner unter anderem mit Chansons übers Alter und über Tiroler Holzfäller – und gab einmal mehr seinen Hit „Der Papa wird’s schon richten“ mit der dazu gehörigen Minister-Rücktritts-Legende zum Besten. Zweifellos ein bewegender Auftritt eines etwas zerknittert wirkenden Altmeisters, der eine ganze Kabarett-Epoche geprägt hat. Und gleichzeitig ein lebendiger Beweis dafür, dass diese Epoche seit 25 Jahren vorbei ist.
Wer sich selbst von der abwechslungsreichen Veranstaltung ein Bild machen möchte, für den sendet 3-Sat am 19.2. ab 22:05 Uhr eine 1-stündige Zusammenfassung. Nicht darin enthalten ist die After-Show-Party, von der die letzten auswärtigen Gäste gerade noch rechtzeitig zum Frühstück ins Hotel kamen … (pb)
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