Bewusstseinserheiternd
Der Standard 03/1995
Kopfüber in die Sub-Ordination des teuflischsten Therapeuten, der je das Scheinwerferlicht der Welt erblickte : „Schmähphisto“ heiflt der kleine Fürst der Finsternis, den der Blues-Barde Heli Deinboek in Form seines Solo-Kabarett-Debuts aus der Traufe hob, um ihn boshafte Vorgänge und Hintergründe aus dem Souterrain der menschlichen Schicksalsverwaltung erläutern zu lassen. In Schmähphistos philosophische Praxis eilen nicht nur zahnlose Vampire auf der Suche nach neuem Berufs-Biss, sie ist auch erste Anlaufstelle für triefende Selbstmitleider, denen es gilt, die wahren Dimensionen menschlicher Tragik vor Augen zu führen: „Wenn si ana vü beschwert, wie soll er’s dann leicht haben ?“
Augestattet ist er zu diesem Zweck vorteilhafterweise mit der Kraft der Worte des Heli Deinboek, des unangefochtenen Meisters der hohen Kunst des abgrundtiefen Über-Schmähs. Seine inhaltlichen Assoziations-Ketten gehorchen keinem nachvollziehbaren Prinzip. Wo es lang geht bestimmt die Deinboek’sche Affektlogik. Einzig das Prinzip des Paradoxon wird zum fallweise wiedererkennbaren Wegweiser.
Wie ein Wirbelsturm fegt Deinboek durch den Baukasten der Sprache: In seiner Mund-Unart schmelzen die Silben zu neuer Gestalt und Bedeutung, Worte werden zu onomatopoetischen Trugbildern und verschwinden wieder im heftigen Gedanken-Strudel des scharfsinnigen Weltverschlechterers. „Schmähphisto“ ist weit mehr als nur kurzweiliges Kabarett: Es ist eine intellektuelle Herausforderung. Eine kurze Unachtsamkeit – und schon steht man daneben, wenn Deinboek die nächste Runde bewusstseinserheiternder Drogen im Publikum austeilt.
Das nächste Mal zu erleben vom 24. bis 26. Mai im „Aera“.
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