Der Standard 03/2000

“Zwischen den Zeilen steht so viel mehr”, singt der einst als Blues-Barde bekannt gewordene Heli Deinboek gegen Ende seines neuen Kabarett-Solos “Die Fliehkraft” : so rührend und schön, daß man dazu geneigt ist, die wunderbare Weise als der Weisheit letzter Schluß für all jene Verwirrungen zu interpretieren, die er in den vorangegangenen 100 Minuten angerichtet hat.
Das Saallicht bleibt während des gesamten Programms eingeschaltet : Mutig schreitet, schwadroniert und schlingert Deinboek durch die Zuschauerreihen – durch den Wartesaal der letzten Hoffnung. Voll gefüllt mit Restplatz-Anwärtern für die vermeintlich rettende “Arche Nora”. Die Apokalypse, die diese gemeinschaftliche Fliehkraft ausgelöst hat, wird nur in Ansätzen konkretisiert. Etwa, wenn er den Navigator trifft, der sich übermüdet ans Steuer klammert : “Idealismus guat und schee, aber Sekundenschlaf is g‘fährlich. A fia an schwoazen Steuermann : Sie kenntan an Blauwal überseh‘n.”
Vielleicht das untypischste Zitat des Abends. Denn die besondere Kunst des Heli Deinboek ist es viel mehr, hintergründig erscheinende Wortkaskaden in so rascher Abfolge abzufeuern, daß einem regelmäßig die Zeit fehlt, ihnen auf den Grund zu gehen. Und womöglich zu erkennen, daß sie unergründlich sind : auch tiefschürfend Anmutendes kann bodenlos zugrunde gehen. Deinboek hüllt diese seine effekthaschenden Stabreime und formulierungsrauschigen Sprachspiele in das gleiche beeindruckend schillernde Gewand, wie seine wahrhaft philosophischen Metaphern und amüsant-absurden Szenerien. Und dieses gut getarnte, ständige Hin und Her zwischen blitzgescheit und Bluff, zwischen Vordenker und Vormacher verunsichert : bin ich wirklich zu blöd, oder nur auf der Schaufel ? Und zu blöd, es zu merken. Ein zwar stellenweise lähmendes, zumeist aber spannendes und erfreulich hinterhältiges Spiel mit Methode. Denn auf dieser Meta-Ebene manifestieren sich jene Spielregeln, die wohl – mehr oder weniger merklich – eines jeden Alltag mitbestimmen. (pb)

Bis Freitag in der “Kulisse” / 29. & 30.3. “Vorstadt” / 7. & 8.4. “Aera” / 12. – 15.4. “Spektakel” / 27.4. Baden / 29.4. Oslip / 6.5. Graz / 12.5. Wr. Neustadt