Schwerelose Champagnerkorken
Der Standard 09/1997
Der Korken der zweiten von insgesamt drei Flaschen Pommery befreit sich mit einem satten „Plopp“, steigt auf in Richtung Schnürboden – und widersetzt sich erfolgreich allen Erwartungshaltungen, indem er nicht wieder auf die Bühne fällt. Der vielleicht sichtbarste Beweis dafür, was Georgette Dee und Terry Truck in ihrem dreistündigen Programm „Lichterloh“ immer wieder auf angenehmste Art und Weise gelingt : die Außerkraftsetzung irdischer Grund-gesetze und Erfahrungswerte.
Dabei hatte das Konzert im Raimundtheater alles andere als vielversprechend begonnen. Georgette haderte mit dem Orchestergraben – „Man hält mich wohl für eine gefährliche Löwin“ -, mit den am Rang montierten TV-Monitoren – „Bin ich denn hier im Fernsehen ?“ – und ganz besonders mit der Klimaanlage, deren zugige Spürbarkeit sie dazu veranlasste, die Bühne kurzerhand wieder zu verlassen: „Das kommt davon, wenn man sich die Diva nach Wien einlädt: Schon zickt sie ‚rum.“ Außerdem war der Flügel zu laut – aber das bemerkten nur die Zuschauer.
Umso beeindruckender allerdings, wie es der unverbesserlichen divina Diva, trotz aller Widrigkeiten, schon wenig später gelingt, jene Athmosphäre zu erzeugen, mit der sie auch schon bei ihren letzten Wien-Auftritten die Publika zu begeistern vermochte: Ihre wehmütigen Balladen und Chansons über Liebe und Leidenschaft wirken bei ihr, als lagerten sie – gefühlsecht konserviert – in einer gesättigten Lösung aus Herz-Blut, Erwartungs-Schweiß und Freuden-Tränen. Ihre Conférencen, selbstironisch aufgehängt an Starallüren und Klischees, bewegen sich virtuos zwischen Weisheit und Blödsinn. Terry Truck steuert dazu nicht nur den einfühlsamen Piano-Soundtrack bei, von ihm erfährt man auch noch sehr Lehrreiches über das Paarungsverhalten australischer Tintenfische und Skorpionsfliegen. Und Georgette Dee beweist abschließend, dass man Fritz Hollaenders „Ich bin von Kopf bis Fuß …“ – spielerisch alkoholisiert – auch in Gebärdensprache singen kann.
Fazit: erwartungsgemäß hinreißend. Mehr Champagner für beide !
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