Die Tennis-Connection
Falter 09/2013
Nach einem kurzen Probebetrieb im Frühjahr wird diese Woche das frisch renovierte und für 240 Besucher adaptierte neue Kabarett- und Konzert-Lokal „CasaNova“ offiziell eröffnet. Als illustres Zugpferd fungiert Viktor Gernot.
Was wäre die Wiener Kabarettszene ohne den Tennissport? Sie wäre um eine Bühne ärmer. Klingt komisch, ist aber so. Denn wären Andreas Vitasek, Viktor Gernot und Klaus Eckel nicht begeisterte Tennisspieler, hätten sie wohl kaum den Chef des „Tennispoint Vienna“ näher kennengelernt. Dieser Harry Diem verwandelt aus Freude am humoristischen Metier bereits seit 18 Jahren alljährlich eine seiner vielen Tennishallen für einen Abend kurzerhand in einen Kabarettsaal. Und er ist mit dem Tennisspieler Johann Hirschhofer befreundet, der nicht nur die „Köö“- und „Mokador“-Cafés, sondern auch das traditionsreiche (siehe Kasten) Etablissements unweit des Stephansdoms sein eigen nennt. Bleibt als letzter Hauptdarsteller in diesem sportlich-kulturellen Crossover-Projekt noch der Textil-Geschäftsmann Martin Reiter, der Diem aus seiner Zeit als Generalsekretär des „Österreichischen Tennis-Verbands“ kennt.
2011 hatte Hirschhofer seinem Sportsfreund Diem das „CasaNova“ erstmals als Kabarett- und Konzert-Location angeboten. Sechs Jahre lang hatte sein unterirdischer Saal zu diesem Zeitpunkt bereits ungenutzt leer gestanden. Dabei hatten der Kabarett-Theater-Pionier Fritz Aumayr und Kabarett-Niedermair-Chef Andreas Fuderer ebenso Interesse an ihm bekundet, wie Joe Zawinuls Sohn Tony, der dort ein Nachfolgelokal für das ehemalige „Birdland“ einrichten wollte. Die Gespräche blieben aber folgenlos. Das „feeling“ habe da wohl nicht gestimmt, meint Diem. Er selbst ließ sich mit seiner Entscheidung fast zwei Jahre Zeit. Er habe „reiflich überlegt“, sagt er. Vor allem aber hat er wohl den richtigen Zeitpunkt abgewartet. Sein Tennisfreund Gernot, mit dem er gerade gemeinsam das seither jährlich stattfindende „Wiener Kabarettfestival“ in den Rathaus-Arkaden in Arbeit hatte, wollte sich finanziell an dem „CasaNova“-Projekt nicht beteiligen. „Bühne ja, Bilanzen nein danke“, ließ er Diem wissen. Also holte er seinen Tennisfreund Martin Reiter als Compagnon ins Boot. Gernot indes kam ein Theater, in dem er sein drittes Soloprogramm nach Belieben spielen würde können, sehr gelegen. Nicht zuletzt wegen nachhaltiger Unstimmigkeiten zwischen ihm und seinem bisherigen Bühnenbieter Albert Schmidtleitner, Chef des „Kabarett Simpl“, des „Vindobona“ und des inzwischen geschlossenen „Palais Nowak“.
So ergab sich für alle Beteiligten eine geradezu symbiotische Situation: Harry Diem hatte für sein neues Kabarett-Theater einen Star und Publikumsliebling als zugkräftiges Aushängeschild – und Viktor Gernot genoss den Luxus, sich nicht um Auftrittstermine anstellen zu müssen. „Die fragen mich nur, wann und wie oft ich spielen möchte“, freut er sich, „Wenn ich bei anderen Bühnen anfrage, sagt man mir: Nächsten Herbst hätten wir vielleicht noch einen Donnerstag und einen Sonntag für Dich frei.“ Auftrittstermine werden im Kleinkunstbereich nämlich oft schon bis zu zwei Jahre im Voraus disponiert.
Im Gegenzug für die Exklusivrechte an Gernots neuem Solo in Wien hat Diem seinem Star im Saal unterm „Hawelka“ schon fast ein kleines Museum mit Bar und Bühne bauen lassen. Die mit einem blickdichten Vorhang vom Saal der Normalsterblichen abtrennbare Künstlerlounge wird schamlos mit Gernots goldenen Schallplatten und Kabarett-Preisen geschmückt. „Damit sich die anderen Künstler dort auch wohl fühlen“, verspürt auch Gernot selbst etwas Unbehagen.
Wäre es ganz nach Diem gegangen, hätte das Theater sogar „Gernots Club“ heißen sollen, aber das dürfte den Publikumsliebling dann doch etwas zu sehr an ein gleichnamiges, sehr kurzlebiges ORF-Projekt erinnert haben. Das 2006 erst- und einmalig ausgestrahlte Late-Night-Kabarett-Format mit Gernot in der Hauptrolle wurde trotz Quotenerfolgs unauffällig verscharrt. Eine der wenigen Niederlagen in der Karriere von Viktor Gernot, der heuer sein 25-jähriges Jubiläum im Showbiz feiert. Denn die Berufsjahre vor 1988 bezeichnet er als „eher sehr semiprofessionelle Lehrjahre“. Damals war er als Bassist und Background-Sänger mit Schlagerstars wie Nicole, Roy Black, Chris Roberts oder Karel Gott auf Tour. „Früher sind die Künstler nach Teplitz-Schönau gefahren, um ihre Fehler zu machen“, meint er rückblickend, „ich hab das in Bierzelten und Dorfdiskotheken erledigt.“
Seine gewitzte Spontaneität auf der Bühne hat er sich vor allem als Frontman seiner eigenen Bands angeeignet, mit denen er seit seiner Schulzeit aufgetreten ist. Der schleichende berufliche Wechsel ins kabarettistische Metier begann noch bevor er in den 90ern als Musical-Darsteller – u.a. als Kaiser Franz Josef in der Urbesetzung von „Elisabeth“ oder als Lumière in „Die Schöne und das Biest“ – populär wurde. Bereits 1988 hatte er nämlich im „Graumann-Theater“ Michael Niavarani kennengelernt und sich mit dem dortigen Ensemble in Sketch und Satire geübt. 1994 stieß er zu der Kabarettgruppe „Die Hektiker“. Im Jahr 2000 schließlich übernahm er die Rolle des Conférenciers in dem von Niavarani geleiteten „Simpl“ und kehrte dem Musical endgültig den Rücken. Zwei Kabarett-Soli legte er den folgenden Jahren vor: „Freistil“ (2003) und „Grätzenfest“ (2007). Im Duo mit Niavarani entstanden die Programme „Gefühlsecht“ (2005) und „Zwei Musternaben“ (2009).
Nun ist es folgerichtig wieder Zeit für ein Solo: „Im Glashaus“. Abermals verzichtet Gernot auf einen Regisseur: „Ich habe in meinem Leben einfach schon zu viele Regieanweisungen bekommen“, lacht er. Ein Programm über bisweilen große Wirkungen ganz kleiner Ursachen soll es werden. Möglicherweise etwas inkorrekter und schärfer, als so manche das vom Sunnyboy und Everybodys Darling erwarten: „Ich bin ja eh ein Lieber. Aber kein Schleimer!“
Geradezu vorbildlich ist sein förderndes Vorhaben, die Bühne und seine 240 Zuschauer vor seinen Solo-Auftritten immer für 15 Minuten einem Kabarett-Newcomer zu überlassen. Unbezahlt – aber möglicherweise alles andere als umsonst. Im Anschluss an die Vorstellung soll dann eine kleine Jazzband bei freiem Eintritt bis Mitternacht dafür sorgen, „dass das Publikum keinen Lokalwechsel mehr vollzieht“, hofft Diem, „sondern den Abend bei uns gemütlich ausklingen lässt.“
Die Spielplangestaltung des „CasaNova“ folgt – musikalisch und kabarettistisch – der vom Zugpferd Gernot vorgegebenen Richtung entlang des verlässlichen, zentralen Mainstreams. Als kleine Besonderheiten stechen vorläufig nur die Aufzeichnungen einer neuen Dienstag-Nacht-Kabarett-Talkshow von und mit Klaus Eckel („Eckel & Kanten“, ab 5.11. in ORF1) und die Serie „Doppelpack“ hervor. Letzteres als „ein in der Kabarettszene völlig neues Format“ zu bezeichnen, wenn zwei Künstler an einem Abend nacheinander je 50 Minuten ihres aktuellen Solos spielen, ist allerdings etwas verwegen.
Disharmonien mit den etablierten Kabarettlokalen fürchtet Diem als neuer Konkurrent jedenfalls nicht. Im Gegenteil: „Gerade diese Kurzauftritte sind ja Promotion für die anderen Bühnen, wo sie ihre Programme dann ganz spielen.“ Gernot sieht das freilich ganz genau so: „Bestimmt werden schon bald Dankschreiben von Kulisse, Orpheum und Stadtsaal bei uns einlangen.“
CASANOVA-HISTORY
Die Geschichte des Souterrain-Lokals im „Hawelka“-Haus Dorotheergasse 6-8 darf durchaus als wechselvoll bezeichnet werden. In den ersten Jahren wurde der unterirdische Veranstaltungssaal des 1912 im spätsecessionistischen Stil erbauten Gebäudes des Österreichischen Bühnenvereins als Kino genutzt. Mitte der 30er wurde er zum Tanzlokal „Oase“ umgestaltet, 1947 wurde er als „Casanova Revue-Bühne und -Bar“ neu eröffnet und diente 1949 auch als Drehort für einige Szenen des Filmklassikers „Der dritte Mann“.
In den 50er-Jahren fungierte das „Cabaret Casanova“ als schillernde Gastspielbühne für die unterschiedlichsten Produktionen. Fritz Imhoff spielte 1953 die Hauptrolle in der „Ausstattungsrevue“ von Karl Farkas und Hugo Wiener „Lenz und Liebe“, im April 1958 sorgten „die Königin des Chansons“ Josephine Baker und der Komponist und Pianist Peter Kreuder „mit Melodien, die die Welt begeistern“ im Rahmen ihrer gemeinsamen Welttournee eine Woche lang für „das Ereignis der Saison“, 1959 präsentierte die „weltberühmte Dudelsacktruppe“ der „Dagenham Girl Pipers“ ihre schottische Tanz- und Musikshow. Dazwischen gab es „original französische Revuen“, „die besten internationalen Tanzstars“ mit „Barbetrieb bis 6 Uhr früh“, aber auch „5-Uhr-Tee-Konzerte“ und Kindertheater.
Es folgten die weniger illustren Jahrzehnte der „Casanova Revuebar“. Zunehmend verkam das Etablissement zu einem – laut Zeit- und Augenzeugen – „eher lieblos betriebenen Nachtclub“, der immer mehr in Richtung „Striptease-Lokal“ abgeglitten sei. Es war der umtriebige Veranstalter und Kulturmanager Jochen Herdieckerhoff († 2006), der den rotsamtig-schummrigen Saal zur Jahrtausendwende für das von ihm 1996 gegründete Festival „Wien ist andersrum – Verlockungen vom anderen Ufer“ als idealen Schauplatz für seine lesbisch-schwulen Kulturveranstaltungen wiederentdeckte und zumindest alljährlich kurzzeitig aus seinem halbseidenen Dornröschenschlaf erweckte.
Der Versuch des neuen Besitzers Johann Hirschhofer, Chef der „Köö“-Billiardsalons und der „Mokador“-Cafés, den Saal als Clubbing-Location zu etablieren, scheiterte 2006 an dem Widerstand lärmbelästigter Anrainer. Seither stand der Saal leer.
0 comments on Die Tennis-Connection