Der Standard 03/1995

Und wieder sind dreihundert von ihnen gekommen: bereit zu dankbarem Gekicher für jede nährstoffarme Pointe, zum kopflosen amüsieren wild entschlossen, und mit vom falschen Schulterklopfen ganz erschöpften Händen in willenloser Applaus-Bereitschaft. Doch irgendetwas funktioniert nicht. Wo bleibt der verlässliche Haha-Luftholen-Haha-etc.-Rhythmus, der sich im Programm-Vorgänger „Alles Fassade“ bereits nach wenigen Minuten einzustellen Anstalten machte ? Wo bleibt die träge Kitzel-Wolke, auf der es sich so bequem ablachen ließ?
Vielleicht liegt es daran, dass einem aus erklärlichen Gründen die Mehrheit der Scherze schon bekannt vorkommt – aus Funk, Fernsehen und Video. Vielleicht ist es auch die gefährliche Eigendynamik, die daraus resultiert, dass das mono-tone Geräusch der Bart-Aufwickel-Maschine nicht mehr wie früher vom konstanten Begeisterungs-Pegel überschallt wird. Wahrscheinlich aber – und hier liegt des Pudels Kern begraben – ist es die Unentschlossenheit, mit der Mini Bydlinski seine Gratwanderung angeht, die ihn nicht so richtig Tritt fassen lässt. Denn eigentlich hat er ja schon längst die Nase voll vom abgründigen Toni-Polster-Schmäh-Niveau („Was halten Sie von Drogen im Fußball ? – Na ja, der Ball wird schwerer.“), „aber die Leute wollen das halt“. Sein Auftrittsapplaus im Kicker-Dress gibt ihm Recht. Andererseits versteigt er sich zu ehrlicher Betroffenheit angesichts des Wahljahrs ’98. Dazwischen aber liefert er garantiert überzeugungsfreies, ja geradezu opportunistisches Geblödel ab: über die bösen Autofahrer-Feinde, die lästige Mülltrennerei oder die EU. Die eventuell geplante Ironie geht bereits auf halber Strecke zur ersten Reihe verloren. Wurscht. Ideale und Ideologien sind sowieso nur etwas fürs Wohnzimmer. Auf der Bühne ist Mini Bydlinski der Diener seines Publikums. Doch Vorsicht: „Lauter Lügen“ haben kurze Beine – und in gebückter Haltung auf die Seilschaft zu hören, kann einem das Genick brechen.