„Schlag, gold’nes Wiener Herz, schlag alle Juden tot.“
Der Standard 02/1997
- „Jimmy Berg – Von der Ringstraße zur 72nd Street“
- Hg.: Horst Jarka
- Austrian Culture Vol. 17 / Peter Lang Publishing, New York, 1996
Geläufig ist sein Name den Wienern schon lange nicht mehr, doch in zumindest einem Lied bewahren sie das Andenken an den Autor und Komponisten Jimmy Berg: „Sperrstund‘ is'“.
Im Zuge seiner Beschäftigung mit der österreichischen Literatur der 30’er Jahre stieß Prof. Horst Jarka (Univ. of Montana) auf den Hauskomponisten des vielgepriesenen „Cabaret ABC“ Symson Weinberg (später Jimmy Berg), der nicht nur das Erscheinungsbild der Wiener Kleinkunst bis zu seiner Flucht vor den Nazis 1938 entscheidend mitprägte, sondern auch zu einer zentralen Figur der Exil-Kultur und zum geistigen Kopf verschiedener Wiener Künstlergruppen in New York wurde. Jimmy Berg war ein stets der Unterhaltung verpflichteter Schlager-Schreiber, aber gleichzeitig Autor kritisch-hintergründig-humorvoller Songs der oppositionellen Subkultur im Wien der 30’er-Jahre, ein mainstream-Komponist von wienerischen Kurzoperetten für das „Café Vienna“ auf der 77th Street, aber auch gefühlvoller Vertoner von Texten Jura Soyfers („Weltuntergang“, „Astoria“) oder Armin Bergs.
Vielseitigkeit und Flexibilität kennzeichneten seinen Lebensweg. Er war einer der wenigen Exil-Autoren, denen es gelang, aus dem neusprachlichen Umfeld ihres Wirkens künstlerische Energie zu schöpfen. Kein Wort des Wehklagens ob des schmerzlichen Verlusts des Hautkontakts mit der Muttersprache. Im Gegenteil: Berg schuf sich schlicht eine eigene Exilsprache für seine Songs : „I’m in a hell of a fix, weil ich Englisch und Deutsch stets vermix.“ Schließlich schrieb er ja ausschließlich für Seinesähnlichen im Ausland – und nicht mehr für Österreicher in Österreich. Mit seiner europäischen Vergangenheit hatte er längst abgeschlossen: „Schlag‘, gold’nes Wiener Herz, so schlag, / Schlag alle Juden tot!“
Doch der große Durchbruch blieb ihm in den Vereinigten Staaten trotz intensiver Bemühungen versagt, und im Laufe der Jahrzehnte wurde das Publikumsinteresse an Jimmy Berg sukzessive kleiner. Die Exilanten-Generation verschwand – und der nächsten fehlte der sprachliche und emotionale Bezug zu der ehemaligen Heimat der Eltern. Die späte Rache des Exils: Hätte Berg in Wien bleiben können, oder wäre er – wie z.B. Hugo Wiener – nach Wien zurückgekehrt, hätte er Karriere gemacht und wäre heute Legende. Doch als unversöhnlicher, verlorener Sohn („Es blüh’n wieder Antisemiten“, 1949) wurde er hierzulande bereits vielfach vergessen, lange bevor er 1988 in New York starb.
Jarkas Kurzbiographie und umfangreiche Anthologie Jimmy Bergs – inklusive der Noten zu vielen seiner Lieder – erfüllt daher gleich mehrere Zwecke: Sie illustriert authentisch den Alltag in einer Wiener Exklave der Nachkriegszeit und demonstriert anschaulich die Entwicklung entwurzelter österreichischer Kleinkunst im Zuge seiner langsamen Verschmelzung mit dem neuen amerikanischen Nährboden. In erster Linie aber ist sie als die Würdigung eines vielseitigen Künstlers zu verstehen, der von der offiziellen Kulturgeschichtsschreibung weitgehend ignoriert wird. War seine Kunst doch nur die große Kleinkunst.
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